Stadt kauft Ex-Warenhaus

Die Stadt Hanau trägt sich mit der Absicht, das Kaufhof-Gebäude selbst zu erwerben. © Stadt Hanau / Moritz Göbel

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Susanne Müller

Landauf, landab ist die Neuaufstellung abgestoßener GALERIA-Häuser Tuschel-Thema Numero uno. Konzeptideen schießen wie Pilze aus dem Boden. Doch nur ein Standort macht’s mal wieder ganz anders als alle anderen: Hanau! Die quirlige und innovationsaffine Modellstadt will das Kaufhof-Gebäude nämlich selbst erwerben.

Zum 31. Januar 2024 sollen im Kaufhaus am Marktplatz die Lichter ausgehen – nach 66 Jahren als Institution an diesem Standort und insgesamt 95 Jahren in der hessischen Stadt. Zunächst war das Aus des Warenhauses eine Schock-Nachricht – wie auch an allen anderen betroffenen Standorten. Doch Oberbürgermeister Claus Kaminsky machte flugs Nägel mit Köpfen: „Hanau ist bekannt dafür, dass wir den Kopf nicht in den Sand stecken und uns auch großen Herausforderungen selbstbewusst stellen.“ Eine echte Ansage. Und so strebt Hanau an, schnellstmöglich in den Besitz der Immobilie zu gelangen. Denn ein solches Innenstadt-Juwel möchte sich die ambitionierte Stadt keinesfalls durch die Lappen gehen lassen. Entsprechende Gespräche mit der Eigentümergesellschaft seien bereits gelaufen, so der OB.

Aktiv und vorausschauend agieren

Als die Schließung von rund 50 GALERIA-Filialen spruchreif wurde, hatten die Hanauer hinter den Kulissen längst ihre Hausaufgaben gemacht. „Der Plan heißt nun, das Haus in der Innenstadt zu übernehmen, ins Eigentum zu kommen. Der Eigentümer der Immobilie und der Betreiber des Warenhauses sind rechtlich und wirtschaftlich völlig unterschiedliche Einheiten. Wir stehen in Kontakt zum Eigentümer der Immobilie. Denn wir sehen es als unsere Pflicht an, für die weitere Entwicklung unserer Innenstadt aktiv und vorausschauend zu agieren“, unterstreicht Claus Kaminsky. Priorität habe nun, so schnell wie möglich Verfügungsgewalt über die Immobilie zu bekommen. Kaminsky: „Auf keinen Fall wollen wir eine lange Hängepartie zu Lasten der Entwicklungschancen unserer Stadt zulassen. Wir prüfen folglich auch den Erwerb über eine städtische Gesellschaft mit privaten Partnern oder gegebenenfalls auch allein.“

Bonus: das Vorkaufsrecht

Vor der ersehnten Umnutzung steht ein beschwerlicher Weg. Dessen Pflastersteine heißen kaufmännische Angelegenheiten, also die Prüfung von Miet- und Kaufverträgen, ferner Steuerrecht, Finanzierung sowie baurechtliche Themen – von Denkmalschutz über Statik bis zum Brandschutz. Nicht zuletzt ist die übergeordnete Einschätzung von essenzieller Bedeutung, wie sich der Erwerb der Immobilie in den städtebaulichen Kontext einfügt. In die Karten spielt den Akteuren das Stadtentwicklungsprogramm „Hanau aufLADEN“, denn dieses beinhaltet eine Vorkaufsrechtsatzung. „Wir haben bereits mehrfach unter Beweis gestellt, dass wir mutig und offen für neue Ideen sind“, zeigt sich Martin Bieberle, Stadtentwickler und Geschäftsführer der Hanau Marketing GmbH, positiv gestimmt. „Mit unserer Vorkaufsrechtsatzung und den anderen Bausteinen von ‚Hanau aufLADEN‘ haben wir in den vergangenen Monaten des Öfteren gezeigt, dass die Stadt Hanau handlungsfähig und willens ist, im Sinne der Stadtgesellschaft zu gestalten.“

Gebäude soll den Hanauern gehören

Grund zum Optimismus hat Bieberle allemal. „Hanau wurde nichts geschenkt“, sagt er. „Die Stadt ist weder ein Mekka für Investoren noch eine Tourismushochburg. Wir mussten immer um alle Errungenschaften kämpfen – und hatten Erfolg. Unsere Erkenntnis aus diesem jahrzehntelangen Prozess: Nur gemeinsam können Städte und Unternehmen etwas erreichen.“ Ihm schwebt in punkto Kaufhof eine Vision vor Augen: „Das Haus sollte auch in 50 Jahren noch den Hanauern gehören.“ Das Kaufhof-Gebäude sei eine der wichtigsten und größten Flächen in der Innenstadt und von hoher strategischer Bedeutung. Und der Kaufhof habe eine lange Tradition, wodurch die weitere Entwicklung auch für das Stadtgefühl von immenser Bedeutung sei. Die historische Bedeutung der Architektur komme auch darin zum Ausdruck, dass das Gebäude wegen seiner besonderen, 1957 erbauten Einscheiben-Glas-Fassade unter Denkmalschutz steht.

Markthalle oder Disco?

Wie genau die Zukunft der Immobilie aussehen könnte, steht in den Sternen. Doch die Hanauer Komplizen – das sind Unternehmer, Händler, Künstler und Pop-up-Betreiber, aber auch alle engagierten Bürger – haben bereits coole Ideen in die Waagschale geworfen, sollten Genehmigungsprozesse und Finanzierung reibungslos ablaufen. Natürlich ist für diese Eins-A-Lage Einzelhandel eingeplant. Aber auch öffentliche Stellen könnten das Gebäude mitnutzen. Von der Markthalle über eine Disco respektive Club bis hin zum Fachärztezentrum ist die Wunschliste in der Bevölkerung lang. Ein Mixed-use-Konzept würde sich anbieten auf den gut 15.000 Quadratmetern Fläche in bester Innenstadtlage.

Bange machen gilt nicht

Gesetzt ist: „Langfristiger Leerstand an dieser exponierten Stelle würde eine bleierne Wirkung mit sich bringen – und die werden wir verhindern“, bekräftigt Claus Kaminsky. Und so sieht er in der Schließung der Kaufhof-Filiale eine historische Chance, zu gestalten: eine Herausforderung, die Hanau mit vereinten Kräften und hochgekrempelten Ärmeln annimmt. „Bange machen gilt nicht“, sagt er.

Susanne Müller