Stadtgestaltung mit Zukunftsfokus

Um die Innenstädte zukunftsfähig aufzustellen, müssen alle Akteure zusammenarbeiten. © Pixabay / A. Krebs

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Urbanität

Alexander von Preen

Es ist eine jahrhundertelange Erfolgsgeschichte, auf die die Innenstadt zurückblicken kann. Der Einzelhandel wird seinen Beitrag dazu leisten, sie fortzuschreiben.

Die Innenstadt ist das Herz einer jeden Stadt. Sie ist zugleich ein Ort der Begegnung, Versorgung, Kultur, Verwaltung sowie des Arbeitens und Wohnens. Der Besuch im Stadtzentrum ist ein Erlebnis, das Menschen und Branchen zusammenbringt. Wie groß die Bedeutung lebendiger Innenstädte ist, hat nicht zuletzt die Pandemie gezeigt. Das Bild leerer Fußgängerzonen und Stadtzentren ist in den vergangenen Jahren zum Symbol des Stillstands im gesellschaftlichen Zusammenleben geworden. Ohne die Begegnungen in Geschäften und Cafés fehlte etwas. Ohne den Einkaufsbummel fehlte etwas. Ohne die Innenstadt fehlte etwas. Denn die Innenstadt hat einen festen Platz im Alltag der Menschen, ob ein Besuch nun täglich, wöchentlich oder monatlich stattfindet. Sie wird geschätzt und steht doch vor der Herausforderung, ihren Weg in die Zukunft zu finden. Unsere Innenstädte müssen zukunftsfest werden. Erreichen lässt sich das nur gemeinsam. Städtische Akteure, Politik und Wirtschaft müssen an einem Strang ziehen und zusammen Zukunftskonzepte entwickeln.

Europäisches Kulturgut

Als europäisches Kulturgut zeichnet sich die Innenstadt durch ihre Multifunktionalität aus. Die jahrhundertelange Erfolgsgeschichte mitteleuropäischer Stadtzentren inspiriert den modernen Städtebau vieler Länder, stößt weltweit Ideen und Projekte an. Orte mit einer lebendigen Funktionsmischung zu schaffen, ist daher ein Modell für die Zukunft. Händlerinnen und Händlern kommt in diesem Branchenmix eine besondere Rolle zu. Sie holen die Menschen in die Innenstadt. Geschäfte zu besuchen, ist der Hauptgrund für den Weg in die Stadtzentren. Der Einzelhandel ist also der zentrale Frequenzbringer. Eine Stärkung der Handelsstandorte kann somit einen wichtigen Beitrag zur Gestaltung der erfolgreichen Stadt von morgen leisten.

Allerdings haben sich die Anforderungen an die moderne Innenstadt in den vergangenen Jahren stark verändert. Zwar befinden sich Städte schon immer in einem Prozess der Veränderung, Weiterentwicklung und Anpassung. Doch die Dynamik der aktuellen Zeit ist mit Blick auf Technologie und Krisen ein besonderer Faktor. Die Digitalisierung, die wirtschaftliche Lage und der Klimawandel prägen die Erwartungen an Einkaufsorte und Stadtgestaltung.

Kanalübergreifende Shopping-Erlebnisse

Die Digitalisierung hat durch die Pandemie einen deutlichen Schub erhalten. Zu spüren war das in allen Lebensbereichen, vom Arbeitsplatz bis in den Laden um die Ecke. Händlerinnen und Händler haben die Herausforderung in Zeiten der Lockdowns angenommen und kreative Lösungen gefunden, ihre Produkte etwa über die eigene Webseite und die sozialen Medien verkauft oder Abholservices angeboten. Der Einkauf ist dadurch digitaler geworden, stationärer Handel und Online-Handel sind zusammengewachsen. Heute sind digitale Technologien nicht mehr aus dem Einzelhandel wegzudenken, sondern Teil zukunftsfähiger Konzepte. Kundinnen und Kunden wollen unabhängig von Ort und Zeit kanalübergreifend einkaufen können. Das stationäre Geschäft wird immer mehr zu einer Erlebnisstätte, die inspiriert und begeistert. Digitale Elemente unterstützen dabei in der Ladengestaltung, optimieren die Geschäftsprozesse dahinter und bilden die Grundlage für die Sichtbarkeit in der Online-Welt. Die voranschreitende Digitalisierung wird das Gesicht der Innenstädte und ihrer Läden verändern.

Krisenfeste Konzepte mitdenken

Einen Wandel in den Straßen der Zentren hatten auch die wirtschaftlichen Auswirkungen der Lockdowns zur Folge. Sie haben die Rücklagen der Handelsunternehmen schrumpfen lassen, die Kauflaune erheblich gedämpft und Spuren in den Innenstädten hinterlassen. Im Vergleich zum Vorkrisenjahr hat der Einzelhandel 36.000 Geschäfte verloren. Das ist ein herber Einschnitt. Und der russische Angriffskrieg in der Ukraine hat der gesamtwirtschaftlichen Lage in Deutschland einen weiteren Dämpfer verpasst. Die hohen Kosten im Bereich Energie und darüber hinaus gehen an den Händlerinnen und Händlern sowie am Einkaufsverhalten der Verbraucherinnen und Verbraucher nicht spurlos vorüber. Die krisenbedingt angespannte wirtschaftliche Situation vieler Handelsbetriebe muss daher bei der Gestaltung von Zukunftskonzepten für die Branche und die Innenstädte mitgedacht werden. Alle Innenstadtakteure stehen vor dieser Herausforderung, die der Einzelhandel nicht allein stemmen kann. Zudem braucht es Bewegung bei den Mieten für Gewerbeflächen. Gerade in größeren Städten ist die Miete ein extremer Kostenfaktor. Daher sollte künftig verstärkt auf umsatzbezogene Mieten gesetzt werden, die die Lage des jeweiligen Unternehmens berücksichtigen.

Hinzu kommt, dass Handel und Städte angesichts des Klimawandels anpassungsfähig bleiben müssen. Viele Händlerinnen und Händler haben sich auch mit Unterstützung der Klimaschutzoffensive des Handels bereits klimafreundlich und energieeffizient aufgestellt. Doch die Folgen des Klimawandels sind schon heute zu spüren. Immer häufiger treten extreme Wetterereignisse wie Hitzewellen, Starkregen und Stürme auf. Hiermit müssen auch Handelsunternehmen umgehen und ihre Widerstandsfähigkeit erhöhen. Das Weiterbildungsprojekt HDE-Adapt begleitet Händlerinnen und Händler mit Workshops und Informationsmaterialien dabei.

Bundesweit tolle Projekte

Es sind somit große Herausforderungen, vor denen unsere Innenstädte und mit ihnen der Einzelhandel stehen. Gemeinsam mit den Mitgliedern des Beirats Innenstadt unter Leitung des Bundesbauministeriums setzen wir uns für die Entwicklung von Konzepten für zukunftsfähige Innenstädte und Zentren ein und gestalten aktiv mit. Dass es bundesweit bereits tolle Projekte zur Belebung der Stadtzentren gibt, zeigt die stetig wachsende Sammlung im Best-Practice-Datenpool Stadtimpulse. Beispiele wie diese sind es, die andere Städte und Unternehmen inspirieren können. Darüber hinaus braucht es konkrete Maßnahmen, die Handel und Innenstädte unterstützen. Eine Gründungsoffensive würde ein wichtiges und starkes Signal senden. Erfolgreiche Gründungen setzen optimale Bedingungen voraus. Hierzu zählen unbürokratische und schnelle Genehmigungsprozesse für Umbauten und Umwidmungen, aber auch der bundesweite Einsatz von Ansiedlungsmanagerinnen und -managern. Das Ziel muss sein, aktuelle Lücken in den Stadtzentren schnellstmöglich zu schließen.

Schlüssel liegt im Austausch

Fest steht, dass die Anziehungskraft der Innenstadt in ihrer lebendigen Vielfalt liegt. Ihre Multifunktionalität macht sie zu einem abwechslungsreichen und lebenswerten Ort. Damit das auch in Zukunft so bleibt, bedarf es einer kundenorientierten und klimabewussten Gestaltung der Zentren. Von der Begrünung über intelligente Mobilitätskonzepte bis hin zum gelungenen Branchenmix sind Ansätze gefragt, die den Bedürfnissen der Menschen und Unternehmen in der Region gerecht werden. Ein einziges Erfolgsrezept für alle Innenstädte in Deutschland gibt es nicht. Gemein ist allen Zukunftsprojekten jedoch, dass sie auf das Engagement und die Einbringung jedes Einzelnen vor Ort angewiesen sind. Der Schlüssel liegt im Austausch von Städten und Kommunen, Politik und Wirtschaft. Er ist der Anfang der Zukunft unserer Innenstädte.


Ein Gastbeitrag von
HDE-Präsident Alexander von Preen