Steigender Trend bei Einzelhandelstransaktionen

Luxuslabels stehen bei Einzelhandelstransaktionen auf Platz Eins. © Pixabay / ErikaB

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Das Transaktionsvolumen von Einzelhandelsobjekten in Europa belief sich in der rollierenden Betrachtung auf 28,9 Milliarden Euro, was einem gesunkenen Gesamtumsatz von 41 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Der Rückgang war hierbei jedoch weniger ausgeprägt als in anderen Assetklassen. Dies ergibt die Analyse von BNP Paribas Real Estate.

„In den vergangenen zwölf Monaten hat sich das Kräfteverhältnis zwischen den unterschiedlichen Assetklassen auf dem Gewerbeimmobilienmarkt zwischenzeitlich etwas verschoben. Eine solche Verschiebung hat es in Europa seit vielen Jahren nicht mehr gegeben, und insbesondere das Einzelhandelssegment hat davon profitiert”, betont Patrick Delcol, Head of Pan European Coverage für Retail, Logistik und Hotel bei BNP Paribas Real Estate. So konnte die Retail-Sparte Marktanteile hinzugewinnen und einen Anstieg von 15 Prozent im dritten Quartal 2022 auf 19 Prozent im dritten Quartal 2023 erzielen, während Büros im selben Zeitraum einen Rückgang von 37 auf 31 Prozent verzeichneten und Logistikimmobilien von 24 auf 20 Prozent nachgegeben haben.

Deutschland auf Rang Zwei

Im Länder-Ranking erzielten Großbritannien (rund 6,9 Milliarden Euro), Deutschland (rund 6,3 Milliarden Euro) und Frankreich (rund 3,3 Milliarden Euro) die höchsten Umsätze, wobei die drei Top-Märkte zusammengenommen allein rund 60 Prozent des gesamten Investitionsvolumens generierten. Nichtsdestotrotz ist laut BNP Paribas auch in diesen Ländern die generell schwierige Marktsituation deutlich spürbar. In Großbritannien tragen zunehmend opportunistisch agierende Investoren dazu bei, dass die Preisanpassungsprozesse etwas schneller verlaufen. Somit konnte sich das Vereinigte Königreich zurück an die Spitze des Rankings kämpfen. Deutschland, das zwölf Monate zuvor noch im Ländervergleich vorne gelegen hatte, muss sich aktuell mit dem zweiten Rang begnügen.

Fachmärkte stabilstes Teilsegment

Im Fachmarktsegment wurde in den wichtigsten europäischen Ländern Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Spanien und Polen ein Investmentvolumen von rund 9,9 Milliarden Euro erzielt. Mit einem Rückgang um vergleichsweise niedrige 31 Prozent gegenüber dem dritten Quartal 2022 blieben Fachmärkte das stabilste Teilsegment. Sie machten die Hälfte des Gesamtumsatzes in Einzelhandelsobjekte aus und erfreuen sich unter Investoren in ganz Europa zunehmender Beliebtheit.

Starker Rückgang im High-Street-Sektor

Der High-Street-Sektor in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Spanien verzeichnete dagegen den stärksten Rückgang und lag mit einem Investmentvolumen von insgesamt rund 5,4 Milliarden Euro etwa 49 Prozent unter dem Vorjahresergebnis. Hierbei muss laut BNP Paribas jedoch berücksichtigt werden, dass im Vorjahr ein außergewöhnlich hohes Ergebnis registriert werden konnte, dass sich vor allem dank großer Deals in Spanien und Italien sogar über dem Vor-Pandemie-Niveau eingeordnet hatte. Nicht im aktuellen Resultat enthalten sind die großvolumigen Eigennutzer-Transaktionen weltbekannter Luxusmarken in den prestigeträchtigsten Einkaufsstraßen von Paris, um ihre Marken hier weiter zu etablieren. Darüber hinaus sanken auch Investments in Einkaufszentren in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien, Spanien und Polen um rund 42 Prozent gegenüber dem dritten Quartal 2022, womit sie auf ein Investitionsvolumen von insgesamt rund 4,4 Milliarden Euro kommen.

Weniger Renditeanstieg bei Premium-Objekten

Der kontinuierliche Zinsanstieg habe die Spitzenrenditen im Laufe des Jahres in allen Anlageklassen weiter in die Höhe getrieben, so das Unternehmen. Somit hat sich der im dritten Quartal 2022 gestartete Trend auch in den vergangenen Monaten weiter fortgesetzt. Festzuhalten bleibe jedoch, dass sich der Anstieg hierbei weniger ausgeprägt gestaltete als in anderen Anlageklassen wie Büro und Logistik, da das Preisniveau von Premium-Einzelhandelsobjekten in Top-Lagen bereits während der Corona-Krise korrigiert werden musste. Unterschieden nach Objektarten sind die Spitzenrenditen in der Fachmarktsparte und von Einkaufszentren in vielen Ländern nach wie vor als attraktiv zu bewerten und ziehen das Interesse von Investoren auf sich. Bei Betrachtung sämtlicher Anlageklassen bieten diese Segmente die besten Risikoprämien. Am niedrigsten liegen die Spitzenrenditen allerdings weiter im Highstreet-Segment, obwohl sie ihre sehr hohen Preise der vorigen Jahre in kaum einem Land halten konnten. Vom allgemeinen Transaktionsgeschehen bei Highstreet-Investments ist insbesondere die gute Dynamik im Luxussegment abzugrenzen, die sich weiterhin dämpfend auf die Spitzenrenditen in vielen Top-Märkten auswirkt.

Discounter- und Luxussegment expandieren

Die angespannte wirtschaftliche Gesamtsituation hat laut Analyse im laufenden Jahr dazu geführt, dass die meisten Haushalte ihr Einkaufsverhalten änderten, was sich insbesondere auf Retailer im mittleren Preissegment ausgewirkt hat. Hiervon profitiert haben dagegen Discounter und Luxusmarken. Während sich im Konsumsektor ein differenziertes Bild ergibt, haben Discounter die Krise genutzt, um neue Kunden für sich zu gewinnen. Luxus-Brands konnten ihre Präsenz und Strahlkraft in den wichtigsten europäischen Einkaufsstraßen sukzessive weiter ausbauen.

Innovation im Einzelhandel

In den vergangenen Monaten kam es bei vielen renommierten Traditionsmarken wie Galeria, Camaïeu oder Go Sport in den verschiedenen europäischen Ländern zu einer Reihe von Insolvenzen, Umstrukturierungen und Neupositionierungen. Dies hängt demnach damit zusammen, dass sich der Konsumsektor verschiedenen Herausforderungen wie einer immer ausgeprägteren Marktsättigung, der sinkenden Kaufkraft, der Konkurrenz durch den Onlinehandel und einem aufstrebenden Second-Hand-Trend gegenübergestellt sieht. In diesem Zusammenhang gilt traditionell, wie auch aktuell für viele Labels, dass diejenigen aufgeben müssen, die sich gegen Veränderungen und Innovationen stemmen, während andere, die sich den Herausforderungen stellen, von den veränderten Rahmenbedingungen sogar profitieren können. „Retailer, die trotz der gesunkenen Kaufkraft gute Umsätze erzielen, zeichnen sich oftmals dadurch aus, dass sie ihren Kunden innovative Konzepte wie automatische Zahlungsterminals, Click- & Collect-Angebote, digitale Quittungen oder auch ein größeres Angebot an Vintage-Produkten bieten. Sie legen ihren Fokus auf das Kundenerlebnis und setzen ihre Strategie mit einem effektiven Mix aus Online-Shops und physischen Ladengeschäften um. Andere Sektoren behaupten sich im Wettbewerb unter anderem dadurch, dass neue Kundenwünsche wie Sport, Freizeit, Wellness, Parfümerien oder Kosmetik erfüllt werden und in Konzepte integriert und teilweise sogar kombiniert zum Einsatz kommen. Diese Einzelhändler legen ihren Fokus darauf, ihre Kunden kennenzulernen, um ihnen einen maßgeschneiderten Service und ein möglichst entspanntes Einkaufserlebnis zu bieten", erläutert Patrick Delcol.

Discounter auf neuen Wegen

Wenn es eine Branche gibt, die von der Wirtschaftskrise und den Herausforderungen im Konsumsegment profitiert hat, dann sind es Discounter. Nachdem sie bereits in den vergangenen Jahren ihre Expansion vorangetrieben haben, konnten sie nun neue, preissensible Kunden hinzugewinnen. Mit einer verstärkten Präsenz in den Innenstädten wie die Eröffnung einer Normal-Filiale in der Rue de Rivoli in Paris, der Erweiterung des Online-Angebots - Lidl hat eine rein digitale „loyality card“ eingeführt, mit der man Zugang zu exklusiven Sonderangeboten in den Filialen erhält - sowie der Verbesserung der Produktqualität - die Hälfte des Obst- und Gemüseangebots von Aldi in Frankreich stammt inzwischen aus regionalem Anbau - stärken die Discounter ihre Kundenbindung und gewinnen neue Kunden aus Haushalten mit höherem Einkommen hinzu.

Luxusmarken setzen Aufstieg fort

Sowohl bei den Transaktionen als auch bei den Vermietungen belegen Luxusmarken weiterhin den ersten Platz. In Frankreich betreiben LVMH und Kering hohen Aufwand, um ihre Immobilienstrategien in den prestigeträchtigsten Einkaufsstraßen von Paris voranzutreiben. In den ersten drei Quartalen 2023 beliefen sich die Investitionen der beiden Unternehmen auf insgesamt 1,6 Milliarden Euro in der Rue Montaigne, der Rue François 1er und den Champs-Élysées. Auch das Londoner West End hat vom Aufschwung des Luxussegments profitiert. Es gab eine Reihe von Landmark-Transaktionen, beispielsweise der Ankauf der Dior-Boutique in der New Bond Street 160 durch LVMH und kürzlich die Verhandlungen über den Kauf des Flagship-Stores des Uhrenherstellers Richard Mille in der Old Bond Street 2–5. Diese Ankäufe konnten zu den für das Luxussegment üblichen niedrigen Renditen umgesetzt werden. „Mieter aus dem Luxussegment sind bereit, für erstklassige Lagen viel Geld in die Hand zu nehmen, wie der Rekordmietpreis von Yves Saint Laurent in der Londoner Bond Street unterstreicht. Seit Anfang des Jahres werden immer mehr Geschäfte in den wichtigsten europäischen Einkaufsstraßen eröffnet, wie Dior auf der Avenida de la Liberdade in Lissabon und Schiaparelli in Londons prestigeträchtigem Harrods. Das geringe Angebot in erstklassigen Lagen und die wirtschaftliche Stabilität von Einzelhändlern im gehobenen Segment treiben die Mieten auf den Luxusmeilen in die Höhe, insbesondere in Mailand mit einem Plus von sieben Prozent im zweiten Quartal 2023 gegenüber dem zweiten Quartal 2022, Rom mit plus neun Prozent, London mit plus zwei Prozent, Lissabon mit plus drei Prozent und Stockholm, ebenfalls mit plus drei Prozent”, betont Patrick Delcol.

Vielversprechende Aussichten

Gegen Ende des Jahres 2023 stimmen laut BNP Paribas nicht zuletzt die Prognosen zur Entwicklung der europäischen Verbraucherausgaben positiv. Hierzu trägt vor allem auch die Wiederbelebung des globalen Tourismusgeschäfts bei, das sich inzwischen wieder auf dem Vor-Pandemie-Niveau eingependelt hat. In den ersten sieben Monaten des Jahres 2023 kam die Zahl der internationalen Touristen in Europa sehr nah an die Werte des gleichen Zeitraums 2019 heran. Zu nennen ist hierbei in erster Linie die südliche Mittelmeerregion, wie die Weltorganisation für Tourismus mitteilte. Die Rückkehr der Touristen steigert die Besucherzahlen in den wichtigsten Einkaufsstraßen Europas und damit den Umsatz im stationären Einzelhandel, insbesondere in den südeuropäischen Ländern, die im Jahr 2023 die höchsten Touristenzahlen verzeichneten. Der Einzelhandel hat schon oft seine Widerstandsfähigkeit in Krisenzeiten bewiesen. Innovative Einzelhändler, die neue Trends aufgreifen, können nicht nur überleben, sondern sogar ihren Wachstumspfad fortsetzen.

Passantenfrequenz zieht an

Insgesamt zieht die Passantenfrequenz in den Einkaufsstraßen, Einkaufszentren und Fachmarktzentren wieder an, wie die stark verbesserten operativen Ergebnisse von Retail-REITs zeigen. Der Onlinehandel, der lange Zeit als Konkurrent des physischen Einzelhandels angesehen wurde, entwickelt sich zu einem wesentlichen Bestandteil der Einzelhandelsstrategien, und die Rückschläge, die reine Online-Player in diesem Jahr einstecken mussten, verdeutlichen die Notwendigkeit, dass Online- und Offline-Geschäfte noch weiter miteinander kombiniert werden müssen. „Insgesamt dürften die Stabilisierungsaussichten bei den Zinssätzen im Jahr 2024, ein wieder leicht steigender Trend bei den Mieten und die Rückkehr der institutionellen Anleger dem Einzelhandelssegment zugutekommen, da der Retail-Sektor weiterhin zu den Assetklassen mit den attraktivsten Risikoprämien zählt”, fasst Patrick Delcol zusammen.