Stellschrauben erfolgreicher Food Courts

Foodtopia My Zeil Frankfurt
Foodtopia My Zeil Frankfurt © ECE

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Susanne Müller

Der Trend kam – wie so oft – aus Amerika, schwappte aber erst vor nicht allzu langer Zeit über den großen Teich zu uns. Heute sind Food Courts buchstäblich in aller Munde und Herzstück moderner Malls. Was sie ausmacht und wie sie erfolgreich performen, weiß Gastronomie-Unternehmer, Hospitality- und Change-Spezialist und Autor Pierre Nierhaus.

In den USA sind Food Courts seit langer Zeit Tradition. Der typisch amerikanische Typus existierte dort quasi schon immer: eine Futter-Oase mitten in der Mall, oft nicht sehr anspruchsvoll, mit viel Fast Food bestückt. In Europa hingegen ging’s von Anfang an sehr viel nobler zu. Pionier eines modernen Food Courts auf unserem Kontinent ist Westfield London, das heute je zur Hälfte der Commerz Real und Unibail-Rodamco-Westfield gehört. 2008 eröffnet, verfügt Europas größtes Shopping Center über die Rekordsumme von 91 Restaurants verschiedener Couleur in sehenswertem Ambiente. Die CDA Group hat für die Eat Gallerie ein atemberaubendes Konzeptdesign mit 13 kulinarischen Theken geschaffen, das in Großbritannien bisher unerreicht ist und zu Covid-Zeiten – quasi als Fanal der Lebensfreude – noch einmal komplett überarbeitet wurde.

Möglichst viele Geschmäcker bedienen

Große Centerbetreiber wie die ECE nehmen inzwischen viel Geld in die Hand, um solche kulinarischen Oasen zu schaffen. Und das ist auch richtig so, meint Pierre Nierhaus. „Gastronomie gehört zum Center unbedingt dazu, um den Erlebnisfaktor zu steigern“, sagt er. „Wir unterscheiden drei Konzepte: Snacken an weit voneinander entfernten Orten, die sich durchs ganze Center ziehen, dann der echte Food Court in der Mitte der Mall und schließlich separate Restaurants, die sich an der Außenseite entlang ziehen. Eine Gruppe von Restaurants mitten im Center hat den Vorteil, verschiedene Geschmäcker gleichzeitig zu bedienen. Wenn also der Freundeskreis essen geht, mag der Eine gern italienisch, der Andere vielleicht asiatisch und der Dritte zum Beispiel hawaiianisch genießen. Im Food Court ist alles an einem Tisch möglich.“

Seit etwa sechs, sieben Jahren zieht der Sirenengesang der Food Courts durch die Büros der Planer. Wann immer in einem in die Jahre gekommenen Center die Revitalisierung ansteht, ist die Rede von ausgefeilten Gastronomie-Projekten – erst recht beim Neubau, wo sich alle Voraussetzungen schaffen lassen. Da wird dann so mancher Wunschtraum Realität. „Ich selbst habe zum Beispiel die mfi bei der Einrichtung des Food Courts in den Münchener Pasing Arcaden vor etwa zehn Jahren unterstützt“, plaudert der Trendexperte aus der Schule. Hervorragend gelungen sei auch die L & T Markthalle in Osnabrück, die mit hoher Individualität sowie einem Mix aus eigenen und Fremdkonzepten punktet. Und ebenso Foodtopia im Frankfurter MyZeil, wo in urbanem Flair mit dem Charme einer Markthalle Big Chef neben Brasserie bestens gedeiht.

Mall-Besuch ist Ausgehen der Zukunft

Urmutter der deutschen Food Courts und gleichzeitig der größte ist die 2019 komplett umgebaute Coca Cola Oase im Westfield Centro Oberhausen. Dort bestechen unter anderem Eventfläche und Außenterrassen. „Auch Breu­ninger hat viel  in die Gastronomie gesteckt“, lobt Nierhaus. Denn: „Grundsätzlich lohnt es sich für Centerbetreiber, in Gastronomie zu investieren. Der Besuch einer Mall gilt heute als eine Art des Ausgehens der Zukunft. Covid hat deutlich gezeigt, dass die Stores unter der Schließung der Restaurants sehr gelitten haben. Schließlich ist der Erlebnischarakter das, was den stationären Handel vom Online-Shopping unterscheidet.“

Um mit dem neuen Food Court einen echten Wert zu schaffen, sollten von vorneherein bestimmte Blickwinkel betrachtet werden, meint Pierre Nierhaus. „Zuallererst muss eine gewisse Vielfalt gegeben sein. Populäre Größen vertragen sich ausgezeichnet mit den Local Stars. Centerbetreiber sollten dabei auch die ethnischen Geschmäcker bedenken – indisch, türkisch, asiatisch – und schauen, welche Bevölkerungsstruktur im Einzugsgebiet vorliegt.“ Aber: Allzu anspruchsvolle und teure Konzepte kommen bei den Besuchern oft nicht gut an.

Harmonie durch einheitliche Gestaltung

Eine weitere Stellschraube zum Erfolg ist die Gestaltung des Food Courts. „Wenn alle anliegenden Restaurants ihre individuellen Möbel einfach zusammenwürfeln, ergibt das ein eher chaotisches und billiges Bild. Da trifft dann Plastik auf Holz und Metall. Viel besser ist eine einheitliche – und vor allem wertige – Gestaltung.“ Dem Experten schwebt ein Idealbild vor: „Podeste, Loungebereiche und eine gemeinsame Bestuhlung aus der Hand eines einzigen Architekten, der klare Designvorgaben hat, wirken harmonisch und erzeugen gleichzeitig eine gewisse Spannung. Da darf dann auch ruhig jeder Gastronom seine eigenen Teller benutzen.“

Und fügt hinzu: „Da Menschen, die in der Nähe des Shopping Centers leben oder arbeiten, erwiesenermaßen nicht gerne viele Rolltreppen benutzen, liegt der Food Court optimalerweise ebenerdig oder verfügt über eine separate Expressrolltreppe.“ Ganz wichtig sei die familienfreundliche Gestaltung des Food Courts. „Ein solcher Ort kann ein toller Magnet sein, wo Kids und Eltern in Ruhe ihre Burger und Pommes essen können. Kinderwagen-Parkplätze und die voll ausgestattete Familien-Toilette sind dann aber unabdingbar.“

Logistik macht das Leben leichter

All diese Aspekte erfreuen zunächst einmal die Gäste. Pierre Nierhaus denkt aber auch an die Restaurantinhaber und ihr Personal. „Die Logistik sollte exzellent organisiert werden“, betont er.  „Eine einheitliche, zentral gemanagte Spülstraße für alle und anspruchsvolle einheitliche Tabletts erleichtern die Arbeit ungemein. Perfekt ist ein zentraler Abräumdienst mit gutem Zugang zu allen Sitzbereichen. Über eine gemeinsame umsatzabhängige Umlage lassen sich diese Dinge finanziell regeln. Zudem muss die Lagerfläche groß genug sein und gut erreichbar in der Nähe liegen, mit eigens angebundenem Lastenaufzug. Jeder braucht natürlich seinen abschließbaren Bereich. Aber von der gemeinsamen Organisation beispielsweise der Zulieferung profitieren alle Beteiligten.“ An einem Strang zu ziehen, lohnt sich also auch in der Center-Gastronomie.

Susanne Müller