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Hochzeitsplaner haben nach zwei Jahren Corona-Pause wieder Hochkonjunktur © bilderstoeckchen – stock.adobe.com

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Susanne Osadnik

In den vergangenen beiden Jahren haben viele Paare ihre Trauung verschoben. Vor allem große Hochzeiten mit bis zu hundert Gästen konnten aufgrund der Pandemie nicht stattfinden. Das holen viele Paare in diesem Jahr nach: 2022 wird das Boomjahr der Heiratswilligen – und eine Chance für zahlreiche Unternehmen, endlich wieder Geld zu verdienen. Denn Hochzeiten sind heutzutage professionell gemanagte Ereignisse, an denen zahlreiche Dienstleister beteiligt sind

Policke ist in Hamburg eine Institution – und weit über die Stadt hinaus bekannt. Den traditionsreichen Markenausstatter konsultiert von Pinneberg bis Buxtehude jeder, der sich für Konfirmation, Abitur, Examensprüfung, Hochzeit oder ein anderes wichtiges Fest mit entsprechendem Dresscode ausstaffieren muss. Bei Policke gibt es alles: Anzüge, Herrenschuhe, Hemden, Accessoires – und eine hauseigene Schneiderei.

Vor der Pandemie hatte der Herrenausstattungsspezialist immer rund 10.000 Teile auf Lager, davon 6.000 Anzüge. Zurzeit sind es nur noch 5.000 Anzüge, in immerhin 80 unterschiedlichen Größen. Ausgefallene Feiern und Home-Office haben das mehr als 90 Jahre alte Unternehmen vor ungekannte Herausforderungen gestellt. Aber es ist noch da. Und wie. Im März ging es langsam bergauf, im April konnte Policke nach eigenen Angaben schon wieder 80 Prozent des Umsatzes von 2019 erreichen und im Mai war es bereits gleichauf mit den Vor-Corona-Ergebnissen. Der Grund: Es wird endlich wieder gefeiert und zahlreiche Hochzeiten werden nachgeholt. Das bescherte dem Unternehmen enormen Zulauf.

Lichtblick für die Hochzeitsdienstleister

Wer in den ersten April-Wochen samstags nach St. Georg fuhr, um bei Policke vorbeizuschauen, konnte sich davon selbst überzeugen. Die Menschenansammlungen in der Böckmannstraße wiesen den Weg zum Herrenausstatter. Verkäufer wieselten über den Bürgersteig und teilten die Kundschaft in Gruppen ein: Hochzeitsanzug? Geschäftsanzug? Für die Konfirmation, bitte hier entlang … Schon auf der Straße wurde nach Größen gefragt und Maß genommen. Im April trug man noch Maske, im Geschäft sollten so wenige Kunden wie möglich gleichzeitig bedient werden.  Niemand murrte, alle waren heilfroh, dass die Organisation reibungslos klappte – und man mit der »Beute« in der Tüte nach Hause gehen konnte. Wieder ein Punkt auf der langen Liste der Hochzeitsvorbereitungen abgehakt.

Dass in diesem Jahr jede Menge Hochzeiten stattfinden, ist für viele Unternehmen ein wahrer Segen – und die Chance, endlich wieder Geld zu verdienen. Vom Brautausstatter über den Caterer bis hin zum Location-Betreiber und dem Blumengeschäft. Auch Limousinen- und Kutschenverleiher, Fotografen und DJs sind heilfroh, dass es wieder los geht. Hochzeitsplaner haben nach zwei Jahren Pause wieder Hochkonjunktur.

Eine Hochzeit ist heutzutage ein professionell gemanagtes Ereignis, an dem etliche Dienstleister beteiligt sind. In den Hoch-Zeiten der Pandemie haben viele dieser Unternehmen von einem Tag auf den anderen vor dem Aus gestanden.

Umsatzverluste von bis zu 90 Prozent

Der Bund deutscher Hochzeitsplaner geht davon aus, dass 80 bis 90 Prozent der Hochzeiten in den Jahren 2020/2021 storniert oder verschoben wurden. Außerdem habe es für 2021 so gut wie keine Neuanfragen für Hochzeiten gegeben. Offizielle Zahlen zu den Verlusten der Branche existieren nicht.  Aber die Mitglieder des Bundes deutscher Hochzeitsplaner kamen nach eigenen Angaben auf Umsatzverluste zwischen 80 und 90 Prozent.

Selbst wenn jetzt das Geschäft wieder anspringt, weil viele Hochzeiten nachgeholt werden, können die Verluste der vergangenen Jahre nicht wettgemacht werden – zumal es für einige Unternehmen schlicht zu spät ist.  

»Es gibt viele Betriebe, die Mitarbeiter entlassen mussten, bereits geschlossen haben oder in nächster Zeit schließen werden«, sagt Svenja Schirk, die Sprecherin des Verbandes. »Soloselbstständige ohne Ladengeschäft waren hier vergleichsweise »gut dran«, wobei natürlich das eigene Leben trotzdem gewuppt, Miete, Lebensmittel oder auch Krankenversicherung bezahlt werden mussten.« Die endgültigen  Auswirkungen der Pandemie, insbesondere in puncto Betriebsschließungen und Geschäftsaufgaben oder Insolvenzen würden sich laut Branchenvertreter erst in den zwei Jahren nach der Pandemie in ihrer Gänze offenbaren, da derartige Effekte naturgemäß immer mit Verzögerung einträten.

Heiraten ist teurer geworden

Zumal die Schwierigkeiten nicht vorbei sind – genauso wenig wie die Pandemie. Vielmehr gibt es neue Hürden, die zu nehmen sind: In der Zeit zwischen Planung der Hochzeit und dem tatsächlichen Ereignis liegen viele Monate. Allein im vergangenen halben Jahr haben sich die Rahmenbedingungen so drastisch verschlechtert, dass die meisten Feiern viel teurer werden als ursprünglich gedacht. Der Einkauf von Lebensmitteln, die Miete der Location infolge der höheren Energiekosten, das Mieten von Limousinen durch hohe Sprit­preise – alles schlägt sich im Budget zu Buche. »Zukünftig lässt sich das sicher auf die Kunden umlegen, doch aktuell machen vor allem jene Aufträge Sorgen, die noch vor der Pandemie zustande gekommen sind, nun aber endlich abgearbeitet werden können und müssen«, so Schirk. »Leider entpuppen sich aber solche Aufträge als wahre Existenzkiller, da sich die Auftragssummen aus Vor-Pandemiezeiten mit der aktuellen Kostenstruktur nicht mehr abbilden und umsetzen lassen, ohne dass der Unternehmer draufzahlt.«

Wer Wert auf die Arbeit und Expertise von professionellen Hochzeitsdienstleistern legt, gehobenes Essen und Getränke anbieten will und eine exklusive Location möchte, muss bei 50 Gästen in Ballungsgebieten mit mindestens 20.000 bis 25.000 Euro rechnen.


Ein Beitrag von
Susanne Osadnik,
Chefredaktion
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