Trends in der Gastronomie

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Restart
Pierre Nierhaus
Emotionen verkaufen! Menschen geben heute mehr Geld für Erlebnisse aus als für Sachen. In der Freizeitgestaltung dominieren Vergnügen, Spaß und Unterhaltung. Der Trend zu mehr Gastronomie, Entertainment und Kulturangeboten in Einkaufszentren ist ungebrochen. Nicht nur bei der Flächenvergabe, sondern bereits bei der Konzeptentwicklung gehen die Betreiber von Malls neue Wege und berücksichtigen die veränderten Erwartungen und Bedürfnisse der Besucher.
Bei der Entwicklung zu mehr Erlebnisqualität und damit höherer Attraktivität kann die Gastronomie eine wichtige Aufgabe übernehmen, denn sie dient als einfachster und unverbindlichster Anziehungspunkt. Als Ankerfaktor kann sie ihre Stärke ausspielen: Menschen begeistern, berühren und verbinden. Die Gastronomie ist und bleibt ein Spiegel gesellschaftlicher Entwicklungen – und ein Motor für Nachhaltigkeit, Vielfalt und innovative Erlebnisse. „Food & Beverage sind der Klebstoff der Gesellschaft!” Mein viel zitiertes Statement aus den Vorjahren gilt auch für die Zukunft!
Bessere Rahmenbedingungen schaffen
Jetzt ist die Chance gekommen, dass sich die politischen Rahmenbedingungen zugunsten der Gastronomie verändern. Gastronomen wünschen sich weniger politische und bürokratische Hemmnisse und mehr Anerkennung der durch die Gastwelt generierten Wertschöpfung. Food & Beverage sind Teil der Gastwelt und damit des zweitgrößten privaten Arbeitgebers in Deutschland mit über sechs Millionen Beschäftigten. Mit einem Anteil von 13,5 Prozent bei den Erwerbstätigen und elf Prozent beim Bruttoinlandsprodukt ist die Gastwelt – Tourismus, Travel, Hospitality, Foodservice, Freizeitwirtschaft – ein Big Player und auf Augenhöhe mit dem produzierenden Gewerbe und der Automobilindustrie.
Fairen Wettbewerb herstellen
Gefordert werden Regeln wie in der Industrie und eine einheitliche Besteuerung von Speisen – wie das in aktuell 20 EU-Ländern der Fall ist. Sieben Prozent Mehrwertsteuer für Speisen muss für alle gelten, ob Restaurant, Lieferdienst, Take Away oder Fertigprodukte aus dem Supermarkt – nur damit wird ein fairer und gerechter Wettbewerb hergestellt. Wünschenswert sind für 2025 eine Rückkehr zu mehr Stabilität und positive Perspektiven in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Zuversicht und Optimismus sind das Gebot der Stunde. Gut gelaunte Menschen konsumieren, gehen aus und verreisen.
Gastronomie als Wachstumsmotor
Die Struktur von Einkaufszentren und Innenstädten befindet sich in einem starken Wandel. Die Vergabe von Flächen hat sich verändert – der Einzelhandel nimmt weniger Platz ein, während Gastronomie und Entertainment eine immer größere Rolle spielen. Dieser Trend war international bereits vor sechs bis acht Jahren zu beobachten. In den USA schließen alte Malls, zugleich entstehen neue Konzepte mit starkem Entertainment-Fokus. In den Metropolen werden neue erlebnisorientierte Konzepte umgesetzt, und die Foodhalls erleben einen Boom.
Erfolgsmodelle aus der internationalen Praxis
Ein Beispiel für diese Entwicklung ist das K11 MUSEA in Hongkong. Dieses Konzept verbindet Shopping mit Kunst, Kultur und Gastronomie. Neben mehr als 250 Markengeschäften und Asiens größtem MoMA Design Store bietet es Erlebnisbereiche wie den ersten Naturerlebnispark zum Thema Nachhaltigkeit. Dort wird Shopping zum kulturellen Erlebnis. Auch in Europa zeigt sich dieser Wandel: Westfield London wurde um ein Drittel erweitert und umfasst nun fast 50 gastronomische Einrichtungen sowie zahlreiche Freizeitangebote wie ein Kino mit 16 Sälen. Ein weiteres Beispiel ist der Mercato Mayfair in London, eine ehemalige Kirche, die in eine beeindruckende Food Hall umgewandelt wurde. In Deutschland hat der Manifesto Market Berlin als größter Food Hub Europas ein Konzept geschaffen, das Gastronomie, Events und internationale Küche verbindet. Jedoch zeigt sich hier, dass eine zu starke Fokussierung auf Touristen nicht ausreicht – auch die lokale Bevölkerung muss angesprochen werden. Es ist essenziell, auch die lokale Bevölkerung einzubinden und ein Preisniveau zu schaffen, das für alle attraktiv ist.
Emotion und Erlebnis verkaufen
Eine zentrale Erkenntnis lautet: Menschen geben mehr Geld für Erlebnisse aus als für Sachen. Dieser Trend war bereits vor Corona zu beobachten. Die Pandemie hat ihn lediglich beschleunigt. Zwar hat die Corona-Pandemie dem Online-Handel einen Aufschwung beschert, aber das Online-Shopping kann wenig Spaßfaktor bieten. Daher ist eine Rückkehr zum Einkaufen in Malls und Innenstädten zu beobachten, die verstärkt auf Erlebnis und Aufenthaltsqualität durch die Integration von Gastronomie und Erlebnisfaktoren setzen. Zugleich müssen gute Rahmenbedingungen geschaffen werden, zum Beispiel für Familien in Form von Kinderbetreuung sowie sauberen, sicheren Bereichen.
Essen gehen immer beliebter
Studien belegen diese Entwicklung. Laut einer IFH-Studie aus Köln gewinnen Restaurants, Cafés und Bars in deutschen Innenstädten zunehmend an Bedeutung. Das Einkaufen bleibt zwar das häufigste Besuchsmotiv (61 Prozent), doch die Bedeutung der Gastronomie nimmt kontinuierlich zu. 40 Prozent der Befragten nannten Gastronomie als Hauptmotiv für ihren Besuch – ein deutlicher Anstieg gegenüber 26 Prozent im Jahr 2020. Besonders jüngere Menschen schätzen das soziale Erlebnis.
Casual Fine Dining im Kommen
Besonders das Casual Dining erfreut sich großer Beliebtheit, denn es verbindet Genuss und Geselligkeit in lockerer Atmosphäre. Konzepte wie L'Osteria bleiben Favoriten der Gäste. In den USA gewinnt das gehobenere Casual Fine Dining an Bedeutung, exemplarisch vertreten durch die US-Kette The Capital Grille. Auch in Deutschland zeigt sich dieser Trend, etwa durch die Zusammenarbeit von Breuninger und Sansibar, die den Sylt-Spirit nach Düsseldorf und andere Städte bringen.
Lebensmittelhandel zieht mit
Auch der Lebensmitteleinzelhandel passt sich diesem Trend an. Supermärkte versuchen verstärkt, sich als Anbieter von Mittagssnacks für Büro oder Homeoffice zu etablieren. In Großbritannien zeigt das Konzept M&S Simply Foods, wie kleine Lebensmittelläden ohne vor Ort Zubereitung dennoch frische Fertiggerichte, Obst, Wein, Käse und andere Leckereien anbieten können.
Die Branche ist im Wandel
Nicht nur der Handel, auch die Gastronomie durchläuft eine tiefgreifende Transformation: Regionalität, Nachhaltigkeit und Erlebnisse rücken in den Fokus, da Gäste zunehmend Wert auf authentische, ökologische und kulturell verankerte Konzepte legen. Preisdruck und Personalmangel erfordern neue Lösungen. Professionalisierung und Effizienz sind entscheidend, um in dieser dynamischen Branche langfristig erfolgreich zu sein. Im Fokus stehen die Effektivität der Prozesse und eine klare konzeptionelle Ausrichtung: Betriebe überlegen gezielt, welche Angebote und Abläufe notwendig sind und was weggelassen werden kann. Individualgastronomen müssen sich auf ihre USPs Individualität und Erlebnis konzentrieren und sich mit klarem Profil, personalisierten Angeboten und schlanker Organisation zukunftsorientiert aufstellen.
Individualgastronomie als Partner von Malls
Die Individualgastronomie steht vor einer großen Chance, sich als einzigartige und unverwechselbare Alternative im Gastgewerbe zu positionieren. Dadurch wird sie auch interessant für Einkaufszentren, die damit ihr Profil stärken und etwas Besonderes bieten können. Individualität ist das hervorstehende Merkmal der Individualgastronomie: Lokale, die durch ihre Einzigartigkeit überzeugen, bieten Gästen ein personalisiertes und interaktives Erlebnis, das auch durch den Einsatz von Technologien wie Smartphones gesteuert werden kann, ohne die persönliche Gastfreundschaft zu ersetzen. Echte Emotionen, authentisches Storytelling und analoge Erlebnisse durch F&B, Service, Design und Atmosphäre schaffen bleibende Eindrücke. Neue Konzepte wie Multi-Use-Spaces, Kombination aus Café, Co-Working, Bar und Eventlocation, oder Erlebnisgastronomie mit interaktiven Elementen, Live-Shows und Storytelling-Menüs, zum Beispiel Theatergastronomie, bieten innovative Möglichkeiten, um Gäste anzusprechen.
Die Zukunft liegt in Erlebnissen
Die Gastronomie ist allgegenwärtig und spielt eine zentrale Rolle in Gesellschaft und Wirtschaft. Am Arbeitsplatz und in der Freizeit – überall ist Gastronomie. Die anderen Branchen haben die Bedeutung der Gastro als Anker erkannt und integrieren sie in ihre Konzepte, ob im Kino oder im Shopping Center. Pop-up-Konzepte sollen Innenstädte beleben und für Attraktivität sorgen. Einkaufszentren und Innenstädte stehen vor einer Zäsur. Wer sich nicht weiterentwickelt, bleibt auf der Strecke. Gastronomie ist ein Schlüsselfaktor, um Besucher zu gewinnen und zu binden. Die Zukunft liegt in Erlebniswelten, die Shopping, Essen und Kultur miteinander verbinden.
Ein Gastbeitrag von
Pierre Nierhaus