Umbrüche und Aufbrüche
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Quintessenz
Vincent Lennart Müller
Ein neuer, alter Präsident Trump in den USA, vorgezogene Bundestagswahlen, ein Immobilienmarkt in Aufruhr, inflationäre Tendenzen: Das verheißt allemal ein spannendes Jahr 2025. Professor Dr. Tobias Just, Leiter der IREBS International Real Estate Business School, hat im Interview die Lage bewertet.
Herr Just, haben Sie für das nächste Jahr schon Veränderungen oder Entwicklungen im Auge?
Bis zur US-Wahl erkannten wir zunehmen Erholungstendenzen für eine wachsende Zahl an Immobilienteilmärkten. Wir hatten den Zinsgipfel überschritten, die Zentralbank senkte dreimal die Leitzinsen, und weitere Zinsschritte galt als sehr plausibel. Die Inflation blieb bis zuletzt überschaubar. Die Trump-Wahl führt aber zu neuer Unsicherheit. Unsicherheit ist zwar grds. nicht schlecht für Immobilien, weil Leute in Immobilien Sicherheit suchen. Aber Unsicherheit bedeutet auch, dass man eine Risikoprämie braucht, wenn die Nutzerseite in Mitleidenschaft gerät. Dies ist für einige gewerbliche Nutzungen zu erwarten, und deswegen ist das eine schlechte Nachricht.
Konkret: Die Wahl von Donald Trump birgt für die deutsche Wirtschaft Risiken, z.B. in der Handelspolitik. Höhere Zölle dürften dazu führen, dass es die deutsche Wirtschaft gelähmt wird, dass es Gegenzölle gibt, und dass dies inflationär wirkt. Handelspolitisch landen wir in einer globalen Lose-Lose-Situation. Es wird für die Konsumenten beider Seiten teurer. Wenn die Inflation wieder anzieht, hat die Zentralbank nur ein Instrument; weitere Zinssenkungen würden dann unwahrscheinlicher. Dies wirkt nicht gleich im ersten Halbjahr 2025, aber perspektivisch ist dies zu erwarten.
Trump wird auch versuchen, die Regulierungskosten in den USA massiv reduzieren. Das könnte die US-Wirtschaft beflügeln, aber gleichzeitig auch Arbeitsplätze kosten. Das Ergebnis von diesem Beflügelungseffekt, kombiniert mit dem öffentlichen Bremseffekt, ist ein riesengroßes Experiment. Ich könnte mir vorstellen, dass der Rückzug des Staats privates Kapital anlockt. Aber ich sehe noch nicht, dass das auch bei den Bürgern als Entspannung ankommt. Für Europa wird es eher eine Belastung sein, denn Kapital wird von Europa in die USA gelenkt. Trump wird auch den militärischen Schutzschirm über Europa ein Stückweit einklappen. Wir müssen mehr Eigenvorsorge für äußere Sicherheit leisten. Also wird Europa wahrscheinlich deutlich mehr in Militär umlenken müssen. Dieses Geld fehlt dann für andere Ausgabezwecke. Dieser Cocktail wirkt in Summe belastender als das, was unsere Branche sich bis zum Herbst vorgestellt hat: „Survive till 25“. Auf der Habenseite ließe sich immerhin verbuchen, dass Europa gezwungen sein wird, aus der Lethargie zu erwachen. Wir müssen Entscheidungen treffen, die wir aufgeschoben haben. Manchmal führt Unruhe zu kreativer Agilität. Ob das allerdings schon 2025 zu Früchten in Europa führt, wage ich zu bezweifeln.
Europa arrangiert sich
Würden Sie sagen, die Immobilienbranche hat gewissermaßen darauf gehofft, dass Harris die Präsidentschaftswahl gewinnt?
Ich glaube, die Meinungen sind gespalten, so wie auch in Amerika. Es gibt sehr viele Menschen in Europa, die darauf gehofft haben, dass die Stabilität, die Biden brachte, fortgesetzt wird. Es gibt auch viele Akteure, die den drohenden Zinsmechanismus bei ausufernder Zollpolitik verstanden haben und sich Trump dementsprechend nicht gewünscht haben. Aber es wäre falsch zu glauben, Frau Harris hätte europäische Politik betrieben. Auch sie hat mit Zollmaßnahmen geliebäugelt, und auch sie vertritt amerikanische Interessen; aber sie riskiert dabei nicht strategische Partnerschaften. Ich glaube aber auch, dass es in der heimischen Immobilienwirtschaft nicht wenige Akteure gibt, die durchaus die Vorteile der genannten Unruhe und Deregulierung auch für Europa wünschen.
Das klingt so, als hätte die US-Wahl mehr Einfluss auf den deutschen Immobilienmarkt als die vorgezogene Bundestagswahl, die ja auch noch bevorsteht.
Auf dem Papier hat das, was in Deutschland beschlossen wird, höhere Auswirkungen für uns. Allerdings ist die Veränderung, die für Trump im Vergleich zu Biden bewirken kann, viel deformierender als das, was wir bei den Neuwahlen in Deutschland zu erwarten haben. Laut Umfragen ist das wahrscheinlichste Ergebnis aktuell eine Neuauflage der GroKo – davon ginge wenig Revolutionäres aus. Bei der Wahl in Deutschland geht es mehr um Details, in den USA ging es um eine Richtungsentscheidung.
Flexible Städte planen
Was müsste denn eine zukünftige Bundesregierung bewirken, um den Immobilienmarkt zu stabilisieren und der Branche einen Vorteil zu verschaffen?
Zunächst einmal sollte die Politik einsehen, dass die Immobilienwirtschaft eine riesengroße Branche und dass Wohnungspolitik relevant ist. In den letzten Monaten und Quartalen wurde das Thema irgendwie aus der deutschen Wirtschaftspolitik ausgeklammert. Hier braucht es mehr -Aufmerksamkeit. In der Wohnungspolitik geht es nicht nur um Umweltthemen; für die meisten Menschen ist das Thema Erschwinglichkeit und Zugang dringlicher. Außerdem gibt es große strukturelle Herausforderungen in unseren Städten: Um diese rasch angehen und meistern zu können, braucht es mehr Bewegungsfreiheit. Wir müssen mehr Umnutzungsmöglichkeiten schaffen und die Art, wie wir Städte planen, flexibilisieren.
Das wird aber weniger von der Bundesregierung entschieden, sondern von den Städten selbst. Doch die Regierung könnte sich um Baulandschaffung kümmern, den Rahmen für Mietrecht vorgeben und vielleicht auch bei Fördermaßnahmen helfen. Zusätzlich sollten wir die Regelungsdichte reduzieren Wir brauchen ebenfalls eine effektivere Zuwanderungspolitik, um die Leute, die wir benötigen, gezielter zu bekommen. Es ist wichtig, dass man Zuwanderung differenziert betrachtet, denn Deutschland braucht Zuwanderung. Auch in der Immobilien- und Bauwirtschaft benötigen wir dauerhaft qualifizierte Arbeitskräfte aus dem Ausland .
Für einige großformatige Handelsformate müssen rasch Umnutzungen ermöglicht werden, damit die Innenstadt attraktiv bleibt, und dadurch der verbleibende, notwendige Einzelhandel gewinnt. Dafür braucht man ebenfalls nur begrenzt Bundespolitik, aber auch hier gilt, dass harmonisierte Bauordnungen nicht schaden, Prozesse zu vereinfachen.
Wir brauchen Beschleunigung
Auch die Bevölkerung ist wichtig für den Immobilienmarkt. Laut Prognosen soll die Inflation im nächsten Jahr leicht sinken – inwiefern würde sich das auf Gewerbeimmobilien auswirken?
Gerade im Handel können wir mietvertraglich die allgemeine Teuerung in höhere Mieten übertragen, aber natürlich nur dann, wenn der Mieter weiterhin zahlen kann. Das ist nicht immer der Fall. Deswegen ist der Inflationsschutz von Einzelhandelsmieten nicht per se gewährt. Daher gibt es wachsende Leerstände. Deswegen brauchen wir Flexibilität und Beschleunigung. Hinzu kommt, selbst wenn die Durchschnittsrate sinkt, bleiben inflationäre Prozesse erhalten, die wir noch nicht losgeworden sind, und die sich in der Zukunft verstetigen könnten Wenn beispielsweise die älteren Generationen in Rente gehen, und es kommen zu wenig junge Leute nach, weil wir zu wenige ins Land lassen, dann wird Arbeit teurer. Nominale Lohnsteigerungen klingen zunächst attraktiv, doch wenn keine Produktivitätsentwicklung dahintersteht, sondern allein Knappheit der Fertigkeiten, wirkt dies inflationär.
Der zweite wichtige Punkt ist die Schuldenbremse. Wir brauchen umfangreiche Investitionen in Infrastruktur. Nicht nur in Brücken, Straßen und Eisenbahnen, sondern auch in Schulen, Universitäten, Kitas, inklusive des dafür notwendigen Personals. Überall scheint der Mangel zu herrschen. Wir brauchen deutlich mehr investive Ausgaben, auch dies kann inflationär wirken, wenn wir nicht andernorts einsparen können. Wir müssen aber diese Ausgaben tätigen, damit wir unsere Trend-Wachstumsrate stabilisieren oder sogar erhöhen können. Und dies ist auch für die Immobilienwirtschaft elementar. Ohne gutes Verkehrs- oder Bildungssystem ist die effiziente Nutzung von allen Flächen geschwächt.
Im Geschäftsmodell geschwächt
Nach Trumps Wahl rückt Europa zusammen oder müsste das zumindest, um wirtschaftlich stark zu bleiben. Nichtsdestotrotz stellt sich die Frage, wie Deutschland im europäischen Vergleich dasteht. Stimmt es, dass wir nicht mehr so stark wie früher sind?
Deutschland hat in der Finanzkrise 2009 profitiert, weil wir keine selbst gemachte Immobilienkrise hatten, weil wir starke Zuwanderung erlebten und weil wir sehr niedrige Zinsen erhielten. Und das deutsche Geschäftsmodell – Export von Maschinen, Elektrotechnik, Autos – war nachahmenswert intakt. Alle drei Faktoren fallen aktuell als Schubgeber aus: Ähnlich stark sinkende Zinsen wir vor 15 Jahren sind nicht zu erwarten.
Wichtiger aber ist, dass unser gesamtwirtschaftliches Geschäftsmodell zur Diskussion steht: Die heimische Automobilbranche hat viele neue Wettbewerber aus Asien bekommen, die Industriepolitik in den USA setzt ein starkes Gegengewicht, Maschinen werden durch Zölle und Zinsen weniger attraktiv. In der näheren Zukunft, beeinträchtigt wohl auch die Energiewende viele Industriegüter. Und schließlich dürften in den nächsten Jahren weniger Zuwanderer nach Deutschland kommen als in den Aufschwungjahren vor Corona. Kurzum, der Aufschwung wird viel milder ausfallen als vor 15 Jahren. Wahrscheinlich wird Deutschland sogar langsamer aus der Krise kommen als andere europäische Länder, und schon gar nicht so zügig wie die USA. Dementsprechend glaube ich, dass sich mit einem reinen „Weiter so!“ daran auch nicht viel ändern wird. Und dieses fehlende Momentum dämpft dann auch die Erwartungen für die gewerbliche Immobilienbranche, also v.a. die Büronachfrage und den Handel.
Mixed-Use wird bleiben
Momentan sind ja Mixed-Use-Konzepte der Vorreiter. Wird sich daran etwas ändern?
Gerade Shopping Center und sonstige Handelsformate haben durch Corona, durch Online-Handel und durch die Einkommensschwäche gelitten. Die Pandemie ist abgeschüttelt, der Online-Handel ist aber gekommen, um zu bleiben. Die Preisabschläge für Shopping Center waren groß. Doch dies birgt dann auch wieder Chancen, denn Preise berücksichtigen Risiken. Entsprechend gibt es da irgendwann wieder Opportunitäten. Die klassische Umnutzungsstrategie in den letzten Jahren war „Ich mache aus einem schlechten Shopping Center ein besseres Shopping Center“. Jetzt müssen Investoren erneut lernen, dass Streuung und Diversifizierung gut sind, und dass dies nicht nur im Portfolio, sondern auch im Quartier und sogar im Objekt gilt. Früher haben Investoren am liebsten Plain Strategies gespielt, weil gemischte Immobilien als kompliziert galten. Bei Mixed-Use müssen Sie ja drei oder vier Nutzungen managen können. Dann haben es viele Investoren bevorzugt, eine reine Büroimmobilie zu erwerben. Die Komplexitäten sind kleiner. Aber es hat sich gezeigt, dass eben die spezifischen Risiken dann auch geballt kommen können. Mischung hat eben den Vorteil, dass ein spezifisches Risiko nicht gleich den gesamten Cashflow betrifft. Mixed-use-Gebäude bieten die Diversität auf Objektebene, die Investoren sonst erst auf Portfolioebene erzielen wollten. Hierbei handelt es sich dann um ein erneutes Lernen, denn Mixed-Use ist eine uralte europäische Stadtkomponente: in vielen typischen innerstädtischen Immobilien waren Handelsnutzungen oder eine Werkstatt im Erdgeschoss, darüber ein Kontor oder Wohnungen, ganz oben mitunter sogar Lagerflächen. Mixed-Use ist weder neu noch gefährlich. Richtig bleibt aber: es ist nicht einfacher zu managen, und es gibt Fragen, wie denn der optimale Mix aussieht. Wie viel öffentlichen Dienst und wie viel Vernetzungsfläche brauche ich? Ist es nur ein Nebeneinander der Assetklassen? Wie entsteht der Mehrwert und woraus? Am schönsten ist es, wenn die Nutzer, die oben wohnen auch wirklich unten einkaufen oder das Büro die Gäste tatsächlich in dem Hotel einbucht. Hier werden wir noch viele Daten sammeln und analysieren müssen. Bis dahin hilft aber trial and error.
Auch auf Non-Core setzen
Haben Sie konkrete Empfehlungen für die Menschen, die schon im Besitz von Gewerbeimmobilien sind? Oder noch weitere kaufen wollen?
Im Moment sind wir in einer unsicheren Schwebe. Weder auf dieser noch auf der anderen Seite des Atlantiks haben wir mehr als eine Ahnung, was in den nächsten Quartalen genau passieren wird. Erst einmal sollten wir abwarten. Viele Investoren bevorzugen in Phasen der Unsicherheit Core-Immobilien. Wenn alle Investoren dieselben Strategien verfolgen, verteuert dies Core, und Non-Core wird allmählich attraktiver. Dann ist es sinnvoll – schon allein, weil die Auszahlungsrenditen besser zu den höheren Zinsen passen, auch auf Non-Core zu setzen.
Insgesamt ist die aktuelle Marktphase eher eine Chance für kapitalstarke Investoren, da sie mit weniger Fremdkapital agieren können. Es wird 2025 wahrscheinlich etwas mehr Transaktionen geben als 2024 und 2023, weil es mehr Akteure geben wird, die verkaufen müssen und mehr Akteure, die kaufen können.
Das Interview führte
Vincent Lennart Müller
Freier Mitarbeiter