Unterschiedlichkeit schafft Einheit

Paderquellgebiet
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Redaktion

Hochwertiger Einzelhandel, gehobene Gastronomie und ein reiches Kunst- und Kulturleben gelten bei der Innenstadtgestaltung als erstrebenswert. Für Citymanager Heiko Appelbaum im westfälischen Paderborn ist das zu kurzsichtig gedacht. Daher hat er das Konzept der mehrdimensionalen Stadtbalance entwickelt

Die Corona-Pandemie hat in vielen Städten zu Verwerfungen geführt. Eine Entwicklung im Bereich Einzelhandel, die bereits durch die Verlagerung in Verkäufe über das Internet eingesetzt hatte, wurde beschleunigt. Die Folgen sind vielerorts fatal: Inhabergeführter Einzelhandel verschwindet, Filialisten ziehen sich aus der Fläche zurück und bislang als Warenhaus genutzte Großimmobilien liegen wie gestrandete Tanker in den Fußgängerzonen. »Die aktuelle Situation kann aber auch als Chance für die Innenstädte betrachtet werden«, sagt Heiko Appelbaum, Citymanager im ostwestfälischen Paderborn, der sich schon länger mit der Innenstadtentwicklung in der 150.000-Einwohnenden-Stadt beschäftigt. »Wir müssen bei der Umgestaltung der Innenstädte die gesamte Stadtgesellschaft mit ihren unterschiedlichsten Bedürfnissen im Blick haben.«

Vielfältige Erwartungen und Wünsche an den Stadtraum

Appelbaum hat daher das Konzept der mehrdimensionalen Stadtbalance entwickelt. Dabei steht die Unterschiedlichkeit der Nutzergruppen im Vordergrund. Sie alle haben unterschiedliche Erwartungen und Wünsche an den Stadtraum. Dem stehen vielfältige Räume innerhalb eines Stadtzentrums gegenüber. In den mitteleuropäischen Städten sind es Fußgängerzonen mit Einzelhandel und Gastronomie, Büroflächen und Wohnungen. Es sind Baudenkmäler und Kulturorte wie Museen, Grün- und Wasserflächen.

Tagstadt und Nachtstadt

Nutzungsgruppen und Lokationen gilt es, miteinander in Einklang zu bringen. Während bei öffentlichen Orten die Zuständigkeit relativ einfach geregelt ist, engt sich der Handlungsspielraum bei privaten Flächen stark ein. »Hier ist eine gute Kommunikation unbedingte Voraussetzung«, sagt Heiko Appelbaum. »Vor der Planung müssen möglichst alle Beteiligten an einen Tisch, um die Akzeptanz möglicher Maßnahmen zu erhöhen.«

Für das Gesamtbild einer Stadt auch im Rahmen der Mehrdimensionalen Stadtbalance sei eine gute Mischung von Belang. »Wenn langjährige Einzelhandelsgeschäfte von einer Gastronomie abgelöst werden, kann das punktuell eine Straße aufwerten«, sagt Heiko Appelbaum. »Wenn dies jedoch auf engem Raum vielfach geschieht, dann hat das Auswirkungen auf den Frequenzverlauf und führt etwa dazu, dass eine Straße tagsüber nur mäßig frequentiert wird, aber abends eine spürbare Belebung erfolgt – mit je nach Quartier unterschiedlichen Auswirkungen. Wir unterscheiden hier die Tagstadt und die Nachtstadt.«

Im Idealfall sieht die mehrdimensionale Stadtbalance ein Nebeneinander von hochwertigem Einzelhandel, Niedrigpreis-Konzepten, Gastronomie auf der einen Seite und historischen Sehenswürdigkeiten wie Kirchen und anderen Baudenkmälern, Museen, Spielorten für Kinder, Grünflächen, Brunnen und anderen Freizeitelementen vor. »Das Konzept ist für sich genommen nicht ganz neu«, so Appelbaum. »Bisher wird es aber in vielen Städten nur zufällig gelebt und es fehlt mitunter eine weitsichtige Planung, um Quartiere miteinander zu verzahnen.« In diesem Zusammenhang spricht der Paderborner von »Stadtraummanagement«, das über die reine Stadtplanung hinausgehe.

»Zufällige Stadtentwicklung können wir uns nicht mehr leisten«

Auch Elemente wie innerstädtische Mobilität und Citylogistik müssten mit in Betracht gezogen werden: »Wir können uns eine zufällige Innenstadtentwicklung nicht mehr leisten, wenn wir die Städte lebenswert erhalten wollen. Vor allem die Oberzentren und Metropolen werden weiter zunehmend als Wohnorte genutzt, weil die städtische Infrastruktur vorhanden ist. Und hier hat längst ein Wettbewerb der Städte untereinander eingesetzt.«

»Seine Stadt« Paderborn sieht der Citymanager übrigens auf einem guten Weg: »Wir haben mit dem innerstädtischen Paderquellgebiet und den zahlreichen Kirchen attraktive Stadtelemente; Einzelhandel und Gastronomie stehen in einem guten Verhältnis zueinander. Nun müssen wir die aktuelle Entwicklung kritisch im Blick haben und bei sich abzeichnenden oder langjährigen Leerständen aktiv das Gespräch suchen, um eine passende Nachnutzung zu finden.«


Ein Beitrag der Redaktion