Unterstützung für den Handel

Tübingen
Beliebter Treffpunkt: der Wochenmarkt © Ulrich Metz

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Susanne Müller

Die Universitätsstadt Tübingen blüht mit einem Mix aus florierendem Handel, traditionellen und aufstrebenden jungen Unternehmen. Ein Fundament, auf das der frisch gewählte Oberbürgermeister Boris Palmer aufbauen möchte. Mit absoluter Stimmmehrheit hat der deutschlandweit bekannte Politiker soeben seine dritte Amtszeit angetreten.

Wie ihm, der von seiner Partei Die Grünen wegen interner Differenzen dieses Mal im Wahlkampf keine Unterstützung erhielt, die Wiederwahl gelingen konnte, liegt nicht allein an seiner hervorragenden Leistungsbilanz. „Tübingen steht gut da“, meint er. „Vor allem aber das Argument, Sicherheit in Krisenzeiten zu bieten, hat die Wähler überzeugt. In der Stadt sind zum Beispiel viele neue Arbeitsplätze entstanden.“

Investitionen in Solarenergie

Oberste Priorität hat bei Boris Palmer jetzt zunächst die Reduzierung energiebedingter CO2-Emissionen. „Wir wollen bis spätestens 2030 klimaneutral werden, und dieses Vorhaben trägt der Gemeinderat auf breiter Basis mit. Unter anderem werden wir in der nächsten Zeit so viele Solarenergieanlagen bauen wie in den letzten 20 Jahren zusammengenommen.“ Der russische Gaskrieg mit Putin treibt dieses Unternehmen voran.

Klimaschutz hat für ihn einen hohen Stellenwert, doch das Treiben von Gruppen wie der „Letzten Generation“ hält er für unsinnig. „Ein Widerstandsrecht gewährt das Grundgesetz nur gegen eine Diktatur, nicht gegen schlechtes Management in der Demokratie. Die Klima-Aktivisten lenken von den eigentlichen Problemen ab und verärgern die Leute. Selbstverständlich ist Klimaschutz überlebenswichtig – doch Gemälde zu beschmieren, hilft dabei nichts.“

Wir brauchen den Abbau der Bürokratie

Der Bund schiebt viele Entscheidungen – zum Beispiel Corona-Maßnahmen und Finanzierungen bestimmter Programme – gerne auf die Kommunen ab. Das ficht Boris Palmer aber nicht weiter an. „Geld für notwendige Maßnahmen findet sich immer“, gibt er sich gelassen. Kritik hingegen übt er deutlich am aufgeblähten Staat. „Wir brauchen einen Abbau der Bürokratie“, ist er überzeugt. „Die aktuellen Strukturen sind oft weltfremd und überflüssig.“

Integrierte Flüchtlinge sollten bleiben

Beizeiten hatte Boris Palmer vor der Öffnung der Grenzen gewarnt und zu realistischer Betrachtungsweise aufgefordert. Heute sieht er das so: „Es ist vollkommen falsch, gut integrierte Arbeitskräfte abzuschieben. Gelungene Integration erfordert konsequentes Handeln, und das bedeutet auch: Wer in Deutschland straffällig wird, muss das Land verlassen. Jene Menschen jedoch, die einen Beitrag für die Gesellschaft leisten, sollten bleiben dürfen, auch wenn sie keinen Asylanspruch haben.“ Ein Engpass sei natürlich der Mangel an Wohnungen – insbesondere auch angesichts der Ukraine-Flüchtlinge. „Wenn zur Unterbringung nur Turnhallen zur Verfügung stehen und KiTa-Plätze fehlen, geht das nicht lange gut, auch wenn den Kommunen die Kosten größtenteils ersetzt werden“, warnt er.

Boris Palmer ist ein Mensch, der mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg hält – auch nicht, wenn er aneckt. Herrscht hierzulande eine Kultur, in der mutige Politiker und kritische Bürger gern mundtot gemacht werden? „Das gerade nicht. Aber es wird versucht, den Leuten den Schneid abzukaufen. Die allgegenwärtige Wokeness wird dabei als Instrument eingesetzt.“

Unterstützung für den Handel

Nicht nur die Bürger, auch Wirtschaft und Handel leiden unter der derzeitigen Krise. Um die stärksten Folgen einzudämmen, hat Tübingen ein wohl bundesweit einmaligen System eingeführt: den Mietunterstützungsfonds. Einzelhändler, die 20 Prozent Umsatzrückgang zu beklagen haben, dürfen in der baden-württembergischen Stadt auf finanzielle Erleichterung hoffen. Denn Vermieter können den Unternehmen mithilfe städtischer Unterstützung einen Teil der Miete erlassen. Auf jeden Miet-Euro, auf den sie verzichten, legt die Wirtschaftsförderung noch einen drauf. Ursprünglich in der Corona-Pandemie ins Leben gerufen, bietet dieses Modell dem Handel auch heute noch Sicherheit.

Wohlstand zu schaffen, ohne Klimaschäden zu verursachen, empfiehlt Boris Palmer auch anderen Kommunen. Denn so hält er es in „seiner“ Stadt. „Wir in Tübingen setzen verstärkt auf Zukunftsbranchen wie Medizin- und Biotechnik und Künstliche Intelligenz. Derartige Strategien fördern die Zukunftsfähigkeit einer Kommune.“

Susanne Müller