Viel Potenzial im E-Sport – auch für Shopping Center

Sören Sonnenburg
Sören Sonnenburg © ECE

Interview
Menschen

Susanne Osadnik

Sören Sonnenburg, Director Leasing von IPH Centermanagement, über die Zukunftsaussichten neuer Handelskonzepte im Gaming- und E-Sport, erfolgreiche Modehändler und warum es schwierig bleibt, neue Marken zu etablieren.


Herr Sonnenburg, was sind so genannte Leisure-Konzepte?
Sören Sonnenburg: Dabei handelt es sich um die Bereiche Spiel, Sport, Edutainment und Entertainment, auf die auch immer mehr Shopping Center setzen, um den Kunden nicht nur kurzfristige Einkaufserlebnisse zu ermöglichen, sondern sie längerfristig an das Center zu binden und natürlich neue Impulse im Einzugsbereich zu geben. Wenn ich meine Freizeit dort verbringen und Sport treiben kann, ist das Center eben mehr als nur eine Einkaufsmöglichkeit. Die Menschen wollen unterhalten werden und die Center können dafür ein guter Ort sein.

Da geht es aber längst nicht mehr um das klassische Fitness-Center, das als Mieter einzieht?
Das gibt es jedoch auch noch. Beispielsweise ist die Hamburger Sportsclub-Kette ausschließlich in Shopping Centern zu finden und bietet Premium-Sport und Wellness-Angebote zu Discount-Preisen an. Das ist ihr Erfolgsrezept. Die Studios gibt es häufig auch in kleineren Centern in Norddeutschland – beispielsweise in Buchholz in der Nordheide. Aber tatsächlich geht es im Leisure-Bereich um sehr viele unterschiedliche Angebote wie Kinos, Trampolinparks, Bowlingcenter, Kletterwände oder auch E-Sport. Darunter ist der Wettstreit in Computer- und Videospielen zu verstehen. Die Spieler treten gegeneinander in Turnieren oder Ligen an. Die Regeln sind dabei genauso festgelegt wie bei allen anderen Sportarten auch – nur, dass es sich um virtuelle Welten handelt, in denen man sich beweist. Das hört sich für viele Menschen noch sehr abstrakt an, ist aber weltweit schon ein Milliardengeschäft. Die Unternehmen auf dem E-Sportmarkt verdienen an Teilnahmegebühren, Ticketverkäufen, Merchandising oder auch Medienrechten. In Deutschland wächst der Markt rasant. Bis 2024 soll der Umsatz auf 150 Millionen Euro steigen. Im vergangenen Jahr wurden laut PricewaterouseCoopers hierzulande schon 113 Millionen Euro mit Gaming und E-Sport umgesetzt. Vor allem im Fußball liegen Wachstumschancen. Immer mehr Bundesliga-Clubs haben eigene Teams in der Virtual Bundesliga, beispielsweise der Hamburger SV oder auch der FC St. Pauli. Noch hat die Immobilienwirtschaft den E-Sport nicht wirklich auf dem Zettel. Darin liegt viel Potenzial – auch für Shopping Center.

Für virtuelles Gaming benötigt man vermutlich weniger räumliche Voraussetzungen als für andere Leisure-Konzepte. Wo lassen sich Indoor-Klettern oder Skydiving überhaupt umsetzen?
Entscheidend sind immer Lage und Einzugsgebiet eines Standortes und natürlich die Größe des jeweiligen Centers. Kleinere Center kommen beispielsweise aufgrund ihrer Größe und Struktur  oftmals nicht in Frage für  Trampolinparks, Bowlingcenter oder Kletterwände. Für spektakuläre Angebote wie Indoor Skydiving benötigt man halt bestimmte räumliche Voraussetzungen oder muss sie schaffen, was mit erheblichem finanziellen Aufwand verbunden sein kann. Grundsätzlich müssen Centereigentümer bereit zu Investitionen sein, wenn sie sich für solche neuen Konzepte interessieren. Das sind dann häufig strategische Entscheidungen, denn es ist überhaupt nicht klar, ob sich damit Geld auf Eigentümerseite verdienen lässt.

Warum sollte ich in etwas investieren, das mir keinen finanziellen Nutzen bringt?
Das ist genau die Frage. Ich weiß im Vorfeld nie, ob eine neue Idee zündet und mir dauerhaft mehr Kundschaft beschert. Das ist das Risiko, das immer mit neuen Konzepten einhergeht. Im Leisure-Bereich ist es umso schwieriger, so etwas vorauszusehen, weil die gesamte Branche noch jung ist und wenige Erfahrungswerte vorliegen. Im Europapark in Rust – das ist ein Freizeit- und Themenpark in Baden-Württemberg – hat man beispielsweise eine virtuelle Erlebniswelt für die ganze Familie geschaffen und dafür eine 500 Quadratmeter große Halle gebaut, in der man in die VR-Welt eintauchen kann. Da wird man als Spieler mit einem VR-Helm, Hand- und Fußtracker und einem Rucksack ausgestattet und muss dann vorgegebene Aufgaben lösen. Das Ganze gibt es auch in einer kleineren Variante, bei der man nur mit einer VR-Brille und einem Handtracker ausgerüstet wird, sich frei im Raum bewegt und sich verschiedenen Herausforderungen stellt. Ich habe das selbst ausprobiert und dachte, das könnte man mal an ein paar Center-Standorten testen – in der kleineren Variation, die weniger Aufwand bedeutet. Wir haben das damals bei der ECE tatsächlich in zwei Centern ausprobiert. Die Resonanz war aber zu diesem Zeitpunkt eher gering, sodass wir das damals nicht weiter verfolgt haben.

In Vor-Corona-Zeiten wurde die Gastronomie mit ihren zahlreichen neuen Food-Konzepten als der Heilsbringer in den Centern gefeiert – bis der Absturz kam. Wird es mit Spiel, Spaß, Sport genauso sein?
Die Gastronomie hat vor allem durch den Lockdown und die Corona-Beschränkungen extrem gelitten. Jetzt kommt sie langsam zurück und wird von den Centerbesuchern auch wieder frequentiert. Aber natürlich haben nicht alle diese ökonomische Durststrecke überlebt. Da wird jetzt auch die ein oder andere vermietete Fläche wegfallen, die neu besetzt werden muss. Wenn man sich aber die prozentuale Verteilung von Gastro- zu Textilflächen ansieht, dann war es nicht so, dass die Gastronomie das hätte substituieren können. Hatten wir früher in den Centern einen Anteil von fünf Prozent Gastronomie, waren es nach dem Food-Hype rund acht oder neun Prozent. Der Modehandel machte dagegen bis zu sechzig Prozent aus. Es war daher eigentlich immer klar, dass wir weitere neue Konzepte entwickeln müssen, wenn der stationäre Textilhandel weiter schrumpft.

Trotz einiger Lücken sieht man in den meisten Centern immer noch verhältnismäßig viele Textilanbieter. Wie ist es denn wirklich um den Untergang des stationären Modehandels bestellt?
Es ist keineswegs so, dass alle Not leiden. Im Gegenteil sind einige Anbieter durchaus auf Expansionskurs und suchen sogar Flächen. Insbesondere durch die Entwicklung der vergangenen zwei Jahre hat sich ja viel verändert im Mieter-Vermieter-Verhältnis. Die Konditionen für Mieter sind interessant, weil die Mieten unter Druck sind und auch lange Vertragslaufzeiten häufig der Vergangenheit angehören. Das schafft Raum, um Standorte zu testen. Wenn es nicht läuft, ist man nicht mehr über zehn Jahre an einen Ort gebunden, sondern kann zügig korrigieren. Das dänische Einzelhandelsunternehmen Bestseller mit seinen Marken Jack&Jones, Vero Moda und Only ist ein gutes Beispiel dafür, dass es nicht allen Modehändlern schlecht geht. Im Gegenteil: Die Dänen haben in der Pandemie das beste Ergebnis ihrer Firmengeschichte eingefahren.

Was können die Dänen, was andere nicht können?
Bestseller hat aufgrund der rasanten digitalen Entwicklung in der Modebranche, einschließlich des E-Commerce, viel in verschiedene strategische Initiativen investiert. Auch in der Pandemie sind sie diesen Weg konsequent weiter gegangen und haben unter anderem neue Vertriebskanäle durch virtuelle Showrooms und Social Selling entwickelt und auch andere digitale Lösungen integriert. Das hat sich wohl ausgezahlt.

Die Marken von Bestseller sind längst am Markt eingeführt. Da weiß man, was man bekommt. Wie sieht es mit vollkommen neuen Marken aus, die nach Deutschland streben?
Wir haben viele Anfragen von noch weitgehend unbekannten Konzepten aus dem Ausland, müssen häufig aber auch sagen: Macht doch erst einmal ein paar Läden an heterogenen Standorten auf und testet aus, ob es läuft. Oftmals haben neue Konzepte jedoch wenig langen Atem. Häufig dauert es seine Zeit, bis sich eine Marke etabliert. Auch H&M hat sich anfangs schwer getan und hätte fast aufgegeben. Inzwischen sind die Schweden hierzulande mit zahlreichen Marken und Konzepten vertreten, gehören mit ihren Läden zu den erfolgreichsten Konzepten am Markt und sind in der Einzelhandelslandschaft nicht mehr wegzudenken.

Was ist davon zu halten, wenn M&M einen stationären Shop in Berlin unterhält?
Dabei geht es meines Erachtens um reine Marketing-Aspekte. Man will sich und die Marke präsentieren, plant aber keine stationäre Expansion mit Ladenlokalen. Der M&M-Shop ist übrigens der einzige auf dem europäischen Kontinent und schon allein deshalb etwas Besonderes. Andere Marken machen es genauso – ob der Staubsaugerhersteller Dyson oder der US-amerikanische Spielzeug-Hersteller Mattel, der in diesem Herbst am Potsdamer Platz rund 4000 Quadratmeter beziehen und auf der Fläche unter anderem einen Barbie-Kosmos erschaffen wird. Alles Beispiele, wie man sich und seine Produkte gut in Szene setzen kann. Für die Substitution leerer Flächen in Shopping Centern spielen sie keine große Rolle.