Viele Opportunitäten tun sich auf

EK3 in Kamp-Lintfort
Das Einkaufszentrum EK3 in Kamp-Lintfort überzeugt mit hoher Aufenthaltsqualität © HAHN Gruppe

Handel und Immobilien
Perspektiven

Thomas Kuhlmann

Ein turbulentes Wirtschaftsjahr neigt sich dem Ende zu. Nachdem die Pandemie endlich aus den Schlagzeilen gerückt ist, sind 2022 viele neue Krisenherde aufgetreten. Der Ukrainekrieg, die weltwirtschaftliche Abkühlung, Versorgungsengpässe und eine hohe Inflation sind nur einige der Ausläufer, die zu nennen sind. Selbst die wohltuende Gewissheit um eine starke deutsche Exportwirtschaft sollte im Zeichen der europäischen Energiekrise zumindest langfristig hinterfragt werden.

Die Immobilienwirtschaft ist ebenfalls betroffen. Nach vielen Jahren der Glückseligkeit im Niedrigzinsumfeld haben sich die Konditionen für Immobilienfinanzierungen binnen kürzester Zeit substanziell verschlechtert. Das ist das Resultat einer neuen Politik der Notenbanken, die weltweit das Ziel verfolgt, die Inflation zu bekämpfen. Prognosen über die weitere Zinsentwicklung gestalten sich angesichts galoppierender Energie- und Nahrungsmittelpreise als extrem schwierig.

In Krisenzeiten stabil und attraktiv

Die Rahmenbedingungen für Investitionen haben sich deshalb nicht nur in Deutschland, sondern weltweit eingetrübt. Vor diesem Hintergrund stellt der inländische Immobilienmarkt erfreulicherweise einmal mehr unter Beweis, dass er in Krisenzeiten als stabiler und attraktiver Investitionsstandort gilt. Weiterhin fließt viel ausländisches Kapital in deutsche Immobilien, sodass der deutsche Markt hinter den USA der zweitbedeutendste Investmentmarkt weltweit ist.

Diese Attraktivität des heimischen Marktes gilt übrigens nicht nur für Immobilien, sondern auch für den Einzelhandel. Seit vielen Jahren zählt Deutschland zum Kreis der favorisierten Expansionsziele internationaler Modelabels. So stellte der Investmentmakler JLL in seiner Vermietungsanalyse zum Herbst 2022 fest, dass die Markteintritte internationaler Marken erneut für Stabilität im deutschen Vermietungsmarkt gesorgt hätten.

Online-Handel – Abschied vom ewigen Wachstum

Interessanterweise ist es 2022 ein wenig ruhiger um den Online-Handel geworden. Seit vielen Jahren steht er für die Bedrohung des stationären Handels und wird bei dortigen Umsatzrückgängen an erster Stelle als Auslöser angeführt. Doch bei unserer jährlichen Expertenbefragung von Expansionsleitern des Einzelhandels für den HAHN Retail Real Estate Report rangierte E-Commerce weit hinter anderen Herausforderungen wie etwa dem aktuell schwierigen Wirtschaftsumfeld und der Eintrübung der Konsumstimmung. Dazu passt, dass der Online-Handel sich in diesem Jahr vom stürmischen Wachstum der vergangenen Jahre verabschiedet hat. Zum Jahresende winkt das erste Jahr mit einem Umsatzrückgang.

Im Gegensatz dazu sind im stationären Handel mit Bekleidung und Mode zweistellige Umsatzzuwächse zu verzeichnen. Ein wenig Vorsicht ist bei diesen Zahlen angebracht, da im Vergleichsjahr 2021 temporär pandemiebedingte Ladenschließungen durchzuführen waren. Dennoch mag der Gedanke erlaubt sein, dass wir insbesondere im Non-Food-Segment möglicherweise der Sättigungsgrenze des Online-Handels näherkommen. Zumal der stationäre Einzelhandel mittlerweile aufgerüstet hat und mit innovativen Services und Technologien echte Mehrwerte für den Einkauf im Laden vorweisen kann.

Digitalisierung bringt Innovation

Digitalisierung und Einzelhandel, das ist eine erfolgreiche Symbiose, die dazu führt, dass die Grenzen zwischen online und stationär zunehmend verschwimmen. „Click & Collect“ oder „Click & Meet“ wird zum Mainstream. Der stationäre Einzelhandel nutzt den technischen Fortschritt, um das Einkaufserlebnis und den Komfort für den Kunden zu erhöhen, beispielsweise mit SB-Kassen, Abholstationen, Multi-Channel-Angeboten, verbesserter Logistik oder digitaler Preisauszeichnung. Das Potenzial der physischen Präsenz haben mittlerweile auch viele Internet-Pure-Player erkannt und deshalb ergänzend Ladengeschäfte eröffnet.

So ist die Onlinewelt also in vielerlei Hinsicht keine Bedrohung mehr, sondern bietet vielmehr ein Universum neuer Möglichkeiten, um den Kunden einen besseren Service auf der Fläche zu bieten. Das ist gut für den Einzelhandel und auch für Investoren für Einzelhandelsimmobilien. An dieser Stelle drängt sich für Investoren ein kritischer Blick auf das Segment der Büroimmobilien auf. Bei dieser bedeutendsten Gewerbeimmobilien-Assetklasse steht der Beweis der Online-Resistenz noch aus. Wenn sich die Präsenzzeiten im Büro langfristig weiter Richtung Home-Office verlagern sollten und manifestieren, dann stünde dem Büroimmobilienmarkt möglichweise ein weitaus größerer Anpassungsprozess bevor als dem Markt der Handelsimmobilien, der seine Transformation größtenteils bereits durchlaufen hat.
 
Discount ist wieder in Mode

Im aktuellen Wirtschaftsumfeld hat das Preisbewusstsein der Konsumenten nochmals zugenommen. Die Verbraucher müssen ihre Grundbedürfnisse erfüllen, wollen dabei aber sparen, um den Anstieg der Lebenshaltungskosten teilweise zu kompensieren. Die Lebensmittel-Discounter haben deshalb einen verstärkten Zulauf und beim Lebensmitteleinkauf im Vollsortimenter werden preisgünstige Handelsmarken bevorzugt. Es ist zu erwarten, dass sich dieser Trend fortsetzen wird und dieser natürlich nicht nur den Lebensmitteleinkauf, sondern auch den Non-Food-Einzelhandel betrifft. So profitieren Anbieter, die den Grundbedarf für Wohnen und Bekleidung abdecken und gleichzeitig auf günstige Preise setzen, also insbesondere Bau- und Gartenmärkte sowie Non-Food-Discounter für Bekleidung, Haushaltswaren, Sport- und Freizeit. Diese Marktentwicklung ist vorteilhaft für Investments in Fachmarkzentren, deren Schwerpunkt auf Betreibern preisorientierter Handelsformate liegt.

Shopping Center oder innerstädtische Geschäftshäuser haben es hier schwerer, da sie einen höheren Anteil von Waren aus dem mittleren bis höheren Preissegment aufweisen. Doch auch hier gibt es viele gute Beispiele, wie einzelne Betreiber beziehungsweise gemanagte Center mit einer guten Positionierung, Einkaufsatmosphäre und Einkaufserlebnis die erforderliche Zugkraft entwickeln, um langfristig frequenzstark und erfolgreich zu sein.

Klimaschutz – der entscheidende Faktor

Für die Zukunft darf der Blick auf die Nachhaltigkeit nicht fehlen. Diese ist für alle Stakeholder, ob Konsumenten, Center Manager, Einzelhändler, Investoren oder Asset Manager gleichermaßen von steigender Bedeutung. So geben über 90 Prozent der Handelsimmobilien-Investoren bei unserer Expertenbefragung im HAHN Retail Real Estate Report an, dass Nachhaltigkeitsaspekte bei ihren Investitionsentscheidungen sehr relevant beziehungsweise relevant sind. Mittelfristig planen 78 Prozent, in anerkannte Nachhaltigkeitsinvestments zu investieren. Das Angebot der bereits als ESG-konform (Environment, Social, Governance) klassifizierten Einzelhandelsimmobilien ist allerdings noch begrenzt, sodass gut 80 Prozent der Investoren bereit sind, für solche Immobilien einen Aufschlag von fünf Prozent und mehr zu zahlen.

Im Immobilienbestand liegt die Herausforderung deshalb im „Manage-to-Green.“ Im Fokus sollten Initiativen zur CO2-Reduzierung und zur Minimierung des Ressourcenverbrauchs stehen. Die Förderung der E-Mobilität, Photovoltaik, Smart Metering (digitale Verbrauchsmessung) und Gebäudezertifizierungen wie etwa DGNB spielen ebenfalls eine große Rolle. Der Handel und die Manager von Handelsimmobilien sind dabei gefordert, ihre ESG-Kompetenzen und Ressourcen zusammenzubringen, um den Wandel zu mehr Nachhaltigkeit effizient zu koordinieren und umzusetzen. Denn es bedarf bei vielen ESG-Themen einer partnerschaftlichen Herangehensweise, um den größtmöglichen nachhaltigen Nutzen zu erzielen.

Allen Akteuren wünsche ich für 2023 solche funktionierenden Partnerschaften und vor allem ein gutes Gelingen! Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung wird gedämpft bleiben, doch auch das neue Jahr wird viele Opportunitäten mit sich bringen, um erfolgreich Handel zu betreiben und zu investieren.

Ein Gastbeitrag von
Thomas Kuhlmann
Vorstandsvorsitzender Hahn Gruppe