Vorsicht bei ESG-Investitionen!

Unternehmen müssen sich auf veränderte Bedingungen auf dem Energiemarkt einstellen. © EHA / Raetzke

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Susanne Müller

Enorm hohe Energiepreise bereiten Unternehmen und Verbrauchern seit nunmehr geraumer Zeit  Bauchschmerzen. Auch der Handel ächzt unter den Kosten. Die Bundesregierung arbeitet zwar mit Hochdruck an der Energiewende. Doch für Retailer steckt der Teufel manchmal im Detail, so Jan-Oliver Heidrich, Geschäftsführer des Energiedienstleisters EHA und Keynote-Speaker beim Handelsimmobilienkongress in Berlin. Sein Rat: Umdenken ist dringend nötig.

ESG-Themen gehören im Handel mittlerweile zum Tagesgeschäft. Die Verantwortlichen sind zum Beispiel bemüht, Wärmepumpen zu installieren oder Ladeinfrastruktur für E-Mobilität auszubauen. Doch was passiert auf einer höheren Ebene in der Energiewirtschaft?  „Die Energiepolitik hat ganz klare Maßnahmen“, sagt Jan-Oliver Heidrich. „So legen die Werte im Koalitionsvertrag fest, dass die Anzahl der Windräder bis 2030 verdoppelt und Offshore-Windanlagen sogar verdreifacht werden. Der Ausbau von Photovoltaik auf 215 Gigawatt ist ebenfalls festgelegt. Alles in allem bedeutet das ein massives Aufstocken erneuerbarer Energien.“

Massive Überbauung zu erwarten

Wenn die Erzeugung von Grünstrom bis 2030 tatsächlich so von Statten gehe wie von der Ampel geplant, ergäbe sich eine massive Überbauung. „Wir haben dann, wenn Wind weht und die Sonne scheint, weit mehr Quellen, als wir eigentlich brauchen“, erläutert Jan-Oliver Heidrich. „Da die Energiepreise am Energiemarkt in diesem Fall gegen null gehen würden, scheint das für Verbraucher erst einmal keine schlechte Nachricht zu sein. In Zeiten ohne Erneuerbare Energien werden die Preise aufgrund geringen Angebotes dann aber extrem steigen. Handelsimmobilien sind sowohl Investoren als auch Verbraucher Erneuerbarer Energien. Sie werden sich in einem stark schwankenden System zwischen Überfluss und Unterdeckung wiederfinden, was sich in sehr volatilen Preisen widerspiegelt.“

Keine Budgetsicherheit mehr

Der Experte betont: „Budgetsicherheit wird es so nicht mehr geben. Daher sollten Betreiber von Handelsimmobilien danach trachten, intelligent und flexibel zu planen. Abnehmende Liquidität an planbaren Stromprodukten aus regelbaren Kraftwerken macht es schwieriger, sich mit Festpreisen abzusichern - eine volatilere Entwicklung ist zu erwarten.“ Was konkret ist zu tun? „Betriebe müssen sich definitiv auf diese neue Situation einstellen und versuchen, gegenzusteuern. Power-to-Heat-Anlagen beispielsweise wandeln nach dem Prinzip eines großen Tauchsieders elektrische Energie in Wärme um, die auf Vorrat gespeichert werden kann und unabhängig macht. Die Kernfrage bei all diesen Überlegungen ist: Habe ich in meiner Immobilie überhaupt Anwendungen, für die ich günstige Energie brauche? Photovoltaik-Anlagen zu bauen, wenn ich keinen Eigenbedarf habe - also nur, um Strom einzuspeichern - rentiert sich nicht. Da bezieht man Energie aus dem Netz billiger.“

Verlust von Zuverlässigkeit

Eindringlich warnt Jan-Oliver Heidrich vor blindem Aktionismus. „Wir verlieren im System Zuverlässigkeit und Planbarkeit. In der Industrie ist das Problem noch viel größer, denn dort hängt schließlich die Produktion von zuverlässigen Energiequellen ab. Bei Investitionen sollte der Handel im Blick behalten, dass ein so genannter Kannibalisierungseffekt eintreten kann.“ Was bedeutet: Die Strompreise werden bei Umsetzung der Pläne der Ampel-Koalition tendenziell sinken, wobei gleichzeitig aber auch die Marktwerte für Solar und Wind deutlich niedriger liegen würden.

Nur zum Eigenverbrauch bauen

Bei Volleinspeisung des PV-Stroms vom Dach ins Stromnetz übernimmt zwar der Staat die Vollkosten über EEG-Zulagen. Diese jedoch werden über Steuern finanziert – hier lauert eine latente Gefahr, falls die Kosten steigen. Denn zwischen Marktpreis und EEG besteht durchaus eine Differenz. Daher sollten Unternehmen bei Investitionen in erneuerbare Energien Vorsicht walten lassen und nur bauen, wenn sie selbst davon profitieren. „In der Regel sind Händler besser beraten, in ihr Kerngeschäft zu investieren, wenn sie die produzierte Energie selber nicht verwenden können“, so Jan-Oliver Heidrich.

Susanne Müller