Wandel ist ein Vorteil

Wie entwickelt sich das Shopping-Center-Business, wo geht die Reise hin? Branchenkenner Alexander Otto, CEO der ECE Group, hat Antworten.

Herr Otto, seit Sie 1994 zur ECE stießen, insbesondere während Ihrer Tätigkeit als CEO, hat sich in Ihrem Unternehmen, aber auch in der Center-Landschaft insgesamt viel getan. Wie haben sich Shopping Center in Deutschland historisch entwickelt, und welche Rolle hat Unternehmertum dabei gespielt?
Alexander Otto: Für ein umfassendes Bild muss man eigentlich noch weiter in die Geschichte zurückblicken. In den 1960er Jahren haben wir hierzulande die ersten Einkaufszentren eröffnet, nachdem mein Vater diese Idee aus den USA mitgebracht hatte. Für diese große Erfolgsgeschichte brauchte es mutigen Unternehmergeist in Form von Weitblick und Offenheit für Neues. Die Mischung aus unternehmerischer Verantwortung und stetiger Veränderungsbereitschaft hat es über die Jahrzehnte dann immer wieder gebraucht. Zum einen, um auch später neue Chancen zu realisieren, denken Sie nur an die zahlreichen Neuentwicklungen nach der Wiedervereinigung oder unsere internationale Expansion. Zum anderen, um Krisen gut zu bewältigen und durch antizyklisches Handeln gestärkt daraus hervorzugehen. Ich erinnere zum Beispiel an die Folgen der Ölkrise mit hoher Inflation, steigenden Preisen und allgemeiner Konsumzurückhaltung. Solche Krisen haben gerade Shopping Center stets gut verarbeitet, weil sie flexibel und anpassungsfähig sind und weil sie mit unternehmerischem Denken und Weitblick immer wieder erfolgreich weiterentwickelt werden können. Diese Erfahrungen helfen uns bis heute.

Das Retail-Business unterliegt ständigem Wandel. Was braucht es, um immer am Ball und am Puls der Zeit zu bleiben?
Entscheidend ist, diesen permanenten Wandel stetig nachzuvollziehen, bestenfalls sogar zu antizipieren, und die Shopping Center entsprechend immer wieder anzupassen und neu aufzustellen. Der stetige Wandel und die permanente Veränderung sind immanenter Bestandteil dieser Asset-Klasse – und ihr großer Vorteil. Denn als aktiv gemanagte Immobilien können wir sie aufgrund ihrer Flexibilität immer wieder den veränderten Kundenwünschen und den sich wandelnden Anforderungen anpassen. Früher waren Möbelhäuser und Pilsstübchen Teil eines Einkaufszentrums, heute bereichern Fahrradhändler oder Burgermanufakturen das Angebot. Früher haben wir geschlossene, in sich gekehrte Architekturen realisiert, heute öffnen sich die Center nach außen hin. Dafür braucht es umfassende Marktkenntnis und vorausschauende Investments, aber auch die Fähigkeit, situativ zu reagieren.

Bei allen Schwierigkeiten der vergangenen Jahre ist die Branche agil und lebendig wie eh und je. Wie lassen sich Shopping Center zukunftsfähig aufstellen, und wo geht die Reise hin?
Neben der ständigen Weiterentwicklung und permanenten Anpassung des Angebots sind dafür drei Aspekte wesentlich. Zum einen müssen die jeweiligen Standorte individuell betrachtet und spezifisch positioniert werden, denn eine Blaupause gibt es nicht. Ein innerstädtisches Objekt in einer Metropole muss ganz anders aufgestellt werden als ein Nahversorger im Stadtteil. Zweitens ist es wichtig, sich auf die Vorteile des stationären Handels zu konzentrieren und diese herauszustellen: von der direkten Warenverfügbarkeit über persönlichen Service bis hin zum anfassbaren Shoppingerlebnis. Und Shopping Center werden sich in ihrem Angebotsmix weiter diversifizieren und immer stärker zu lokalen Hubs, sei es als Nahversorgungs- und Dienstleistungszentrum mit medizinischen Angeboten und öffentlichen Einrichtungen oder als Freizeit- und Erlebniszentren mit Kinos, Außengastronomie und Sporteinrichtungen. So werden Shopping Center auch in Zukunft erfolgreich sein.

Susanne Müller

Alexander Otto ist seit 2000 CEO der ECE. Unter seiner Führung entwickelte sich die ECE zunächst zur europäischen Marktführerin im Shopping-Center-Bereich und weiter zu einer breit aufgestellten Immobilien- und Investmentgruppe, der ECE Group. Er ist in den Aufsichtsräten der Otto Group und SITE Centers in Cleveland/USA sowie im Beirat der Peek & Cloppenburg KG Düsseldorf tätig.
Alexander Otto engagiert sich über verschiedenen Stiftungen auf vielfältige Art und Weise für die Gesellschaft, darunter die Stiftung „Lebendige Stadt“, die sich mit der Revitalisierung europäischer Innenstädte beschäftigt, die „Alexander Otto Sportstiftung“ zur Förderung des Hamburger Jugend- und Behindertensports und die „Dorit & Alexander Otto Stiftung”, die medizinische und kulturellen Projekte unterstützt.
Alexander Otto wurde 1967 in Hamburg geboren. Nach dem Abitur in Oxford studierte er an der Harvard University und der Harvard Business School, bevor er 1994 zur ECE kam.