Warenhäuser sind prädestiniert für City-Logistik

Benjamin Schrödl
Benjamin Schrödl © Thomas Ecke, Berlin | Oleg – pexels.com

Interview
Herausforderung

Susanne Osadnik

Warenhäuser sind die Sorgenkinder des Handels. In den vergangenen zehn Jahren haben hunderte Häuser ihre Türen für immer geschlossen. Bleibt die Frage: Was tun mit den teils gigantisch großen Immobilien, die nicht mehr zeitgemäß erscheinen? PricewaterhouseCoopers (PwC) hat analysiert, welche Konzepte wirksam sind. Benjamin Schrödl, Director im Bereich Real Estate bei PwC Deutschland, über die etwas andere Zukunft der einstigen Publikumsmagneten

Herr Schrödl, wann waren Sie zuletzt in einem Karstadt-Warenhaus?
Benjamin Schrödl: Da muss ich überlegen … Anfang des Jahres müsste es gewesen sein. Da war ich bei Karstadt in Berlin.

Was haben Sie gekauft?
Es gibt hier in Berlin bei Karstadt eine große Fahrradabteilung, in der habe ich mich umgesehen und informiert. Gekauft habe ich tatsächlich nichts.

Geht Ihre Frau auch zu Karstadt?
Ab und zu tut sie das, weil Karstadt eine gut sortierte Haushaltswarenabteilung hat.

Fast jeder, den wir fragen, geht auch in die großen Warenhäuser in seiner Stadt. Dennoch wurden im Laufe der Jahre hunderte Kaufhäuser geschlossen. Dabei wurden sie einst geschaffen, um an zentraler Stelle einem großen Publikum eine möglichst breite Auswahl an Waren zugänglich zu machen. Was ist heutzutage falsch daran?
Im Prinzip gar nichts. Auch Formate im Internet wie Amazon, Otto, Baur, Heine oder HSE24 sind ja nichts anderes als große virtuelle Warenplattformanbieter oder anders gesagt Kaufhäuser im Internet. Das Problem vieler unserer Kaufhäuser ist die nicht mehr zeitgemäße Präsentation von Waren – nicht zuletzt aufgrund räumlicher Zuschnitte der Gebäude – und die fehlende Bewertung von Produkten. Wenn ich im Internet eine Ware aussuche, bekomme ich gleichzeitig eine Vielzahl an Verbraucherbewertungen. Das ist für mich als Konsument schon wichtig, wenn ich mich nicht so richtig auskenne oder einfach wissen möchte, wie sich das neue Staubsaugermodell in der Praxis macht. Ich selbst informiere mich auch häufig über das Internet, kaufe dann aber meist im stationären Handel. Da habe ich aber das Problem, dass die Ware häufig nicht vorrätig ist.

Hausgemachte Probleme des stationären Handels?
Ich denke schon, dass der stationäre Handel ruhig ein bisschen selbstkritisch sein sollte. Sowohl in Sachen Kundenberatung als auch bei der Produktverfügbarkeit oder -beschaffung kann er sich deutlich verbessern.

Warum funktioniert ein Karstadthaus in der Hamburger Mönckebergstraße und anderswo nicht?
Da ist vor allem die absolute Spitzenlage mitten in der Stadt, in der es drumherum auch noch zahlreiche andere Geschäfte gibt. Die Menschen gehen dort bummeln, viele Touristen halten sich dort auf und gehen auch schon mal schnell in das altbekannte Kaufhaus, wenn sie etwas Bestimmtes kaufen wollen.

Gibt es eine Korrelation zwischen der Größe der Stadt und dem Funktionieren eines Kaufhauses?
Nicht unbedingt. Auch in einer kleineren Stadt und im ländlichen Raum kann so etwas funktionieren. Im Übrigen haben die Großstädte auch zahlreiche ihrer Kaufhäuser schließen müssen. In Hamburg waren in den vergangenen zehn Jahren sieben Häuser betroffen, in Berlin sieben und in München vier. Aktuell wird in Hamburg und in München noch über je drei Schließungen verhandelt.

Gab es irgendwann grundsätzlich zu viele Kaufhäuser?
Man muss das historisch betrachten: Als die Kaufhäuser nach dem Zweiten Weltkrieg wieder öffneten beziehungsweise neu eröffnet wurden, war der Konsumbedarf der Menschen in Bezug auf alle Waren groß. Es fehlte an allem. Also wurden immer mehr Warenhäuser eröffnet, die die wachsende Konsumnachfrage befriedigen sollten. Inzwischen gibt es aber noch zahlreiche andere Einzelhandelskonzepte, die in Konkurrenz zum Warenhaus getreten sind, nicht zuletzt der enorme Trend zum Online-Shopping. Auch auf der Konsumentenseite ist mittlerweile eine Form der Sättigung eingetreten, ganz zu schweigen von Nachhaltigkeitsthemen in Bezug zu unserem Konsumverhalten. Bei unseren Untersuchungen sind wir auf Phänomene gestoßen, die kritisch zu bewerten sind im Hinblick auf Einzelhandelsflächenaufkommen. So hatte Lübeck gleich drei große innerstädtische Kaufhäuser. Das ist sehr viel Verkaufsfläche (im Warenhauskonzept) für eine Stadt mit gut 216.000 Einwohnern. Hinzu kommen zahlreiche andere Einzelhandelsformate wie Shopping Center, SB-Warenhäuser oder auch Fachmarktzentren, die zusätzlich genehmigt wurden. Hier hätte man unter Umständen auf der Stadtplanungsseite auch mitgestalten können.

Sie haben sich in Ihrer Studie 52 Kaufhäuser angesehen und analysiert, wie es nach deren Schließung dort weitergegangen ist. Von 23 Immobilien, in denen wieder ausschließlich Einzelhandelsnutzung stattgefunden hat, haben 13 bereits wieder geschlossen. Ist das Fazit daraus: Einzelhandel läuft einfach nicht mehr?
In vielen Fällen hat man versucht, die schon vorhandenen Ableger großer Textil­anbieter zu erweitern. Wenn etwa ein großer Textileinzelhändler schon vertreten war, hat man dessen Flächen enorm vergrößert. Das ist ein Konzept, das nicht aufgehen kann, da insbesondere der Textilhandel überproportional unter dem wachsenden Online-Geschäft leidet. Vor allem bei jungen Leuten gibt es den sich immer weiter verstärkenden Trend, ihre Kleidung überwiegend über das Internet zu kaufen.

Mixed-used gilt derzeit als Allheilmittel gegen leerstehende Kaufhäuser. Was spricht dafür – abgesehen von der Verteilung des wirtschaftlichen Risikos auf mehrere Schultern?
Zum einen spricht natürlich die klassische Diversifikation für dieses Konzept. Zum anderen kommen wir durch Mixed-used-Immobilien auch wieder zu einer Kleinteiligkeit zurück, die häufig verloren gegangen ist, insbesondere in kleineren Städten. In denen wurden nach Kriegsende zum Teil überdimensionierte Kaufhäuser mitten in die ansonsten kleinteiligen Altstädte gebaut. Das passte strukturell und architektonisch nicht zusammen. Jetzt werden diese teils viel zu groß geplanten Immobilien wieder aufgebrochen und kleineren Nutzungseinheiten zugeführt, die zeitgemäßer sind. Wir brauchen heutzutage in den Fußgängerzonen nicht mehr tausende Quadratmeter Verkaufsfläche, um zum Beispiel Kühlschränke und Waschmaschinen zu präsentieren. Unser Flächenbedarf orientiert sich vielmehr an gesellschaftlichen und serviceorientierten Belangen: Es werden Kitas, Ärztehäuser, Begegnungsstätten, Kultur- und Bildungs­einrichtungen, Senioreneinrichtungen und Räume für Sportmöglichkeiten benötigt. Mehr Fläche und Räume für den Menschen und weniger für Waren.

Schaffen wir damit nicht schon wieder eine neue Uniformität der Innenstädte, wenn jetzt alle dasselbe umsetzen?
Bislang gestaltet sich die Verteilung folgendermaßen: In den meisten Konzepten findet man zu 17 Prozent Einzelhandel, zu elf Prozent Büros, zu neun Prozent Wohnungen, zu sechs Prozent Gastronomie, zu fünf Prozent Hotels und zu zwei Prozent Seniorenwohnen. In der Tat klingt das noch relativ einfallslos. Aber jede Stadt muss da ihre eigene individuelle Lösung finden und auch entsprechend kreativ werden. Bislang mangelt es beispielsweise noch deutlich an kulturellen Angeboten. Das kann eine Galerie genauso wie eine Bibliothek sein.

Ihrer Studie ist zu entnehmen, dass die meisten ehemaligen Kaufhäuser zum Teil nur durch erhebliche Baumaßnahmen umgenutzt werden konnten. Das scheint vor allem in kleineren Städten ein Pro­blem zu sein …
In den Großstädten finden sich genügend Investoren, weil sich allein die Grundstückspreise, auf denen sich die Warenhäuser befinden, im Laufe der Jahrzehnte enorm vervielfacht haben. Und man weiß, dass man an bestimmten Standorten auch bestimmte Mietpreise erzielen kann. In kleineren Städten sieht das in der Tat anders aus. Da ist es schwierig, eine Miete von mehr als zehn Euro durchzusetzen, erst recht ohne massiven Umbau. Da bleiben dann oft nur der Abriss und Neubau.

Würden Sie nach Abschluss Ihrer Studie und nach den Erfahrungen einer Pandemie zu dem Schluss kommen, dass Warenhäuser grundsätzlich eine sterbende Art sind?
Das Format an sich hat durchaus Chancen. Die Frage ist nur, wie es in die digitale Welt transformiert wird. Man sollte nicht den Kopf in den Sand stecken, sondern das Positive und Herausfordernde sehen, das sich daraus ergibt, und nicht versuchen, Dinge künstlich am Leben zu erhalten. Im Zusammenhang mit den städtischen Kaufhäusern ist beispielsweise ein Aspekt bislang viel zu wenig diskutiert worden: Diese Immobilien sind hervorragend an Liefersysteme angeschlossen. Sie besitzen Zufahrtsstraßen, Laderampen im Erdgeschoss, Lagerflächen und sind damit prädestiniert für City-Logistik. Wenn man das konsequent weiterdenkt, ergeben sich auch für die Warenhäuser vollkommen neue Perspektiven.

Das Gespräch führte
Susanne Osadnik,
Chefredakteurin GCM

 

PwC-Studie: Warenhausimmobilien im Wandel

Warenhäuser gehörten lange Zeit zu den zentralen Anlaufstellen in vielen deutschen Innenstädten. Ein boomender Online-Handel und ein sich wandelndes Konsumverhalten haben das jedoch geändert: Zwischen 2003 und 2018 fiel ihr Umsatz um ganze 46 Prozent von 10,43 Milliarden auf 5,59 Milliarden Euro. Aufgrund architektonischer und baulicher Besonderheiten ist eine kostengünstige und flexible Nachnutzung der Immobilien oft kompliziert. Das zeigt eine wissenschaftliche PwC-Studie, die sich mit der Nachnutzung ehemaliger Warenhausimmobilien beschäftigt.

Dazu wurden alle geschlossenen deutschen Warenhäuser der vergangenen zehn Jahre analysiert, insgesamt 52. Zwei Nachnutzungskonzepte kamen besonders häufig zur Anwendung: die solitäre Einzelhandelsnachnutzung und das Mixed-used-Konzept. »Unabhängig von der Einwohnerzahl der Städte zeigen diversifizierte Nachnutzungskonzepte den größten Erfolg in den Innenstädten. Reine Einzelhandelskonzepte hingegen befinden sich vor allem in den Großstädten auf dem Rückzug«, so Thomas Veith, Leiter des Bereichs Real Assets bei PwC Deutschland.

Auch alternative Einzelhandelskonzepte nur selten erfolgreich

Bei der Einzelhandelsnachnutzung werden ehemalige Warenhäuser durch Konzepte ersetzt, die sich ausschließlich auf einen stationären Einzelhandel konzentrieren, wie zum Beispiel SB-Warenhäuser, Lebensmittelmärkte, Filialbetriebe oder neugebaute Shopping Center. Eine erneute Nutzung als Warenhaus kam unter den in der Studie betrachteten Immobilien nicht vor, was deutlich zeigt, dass dieses Nutzungskonzept nicht mehr zeitgemäß ist. Doch auch die alternativen Einzelhandelskonzepte erwiesen sich mit Ausnahme der neugebauten Shopping Center nur selten als erfolgreich. So wurden von insgesamt 23 solitären Einzelhandelsnachnutzungen bereits 13 wieder geschlossen. Ein positives Bild zeigen die Mixed-used-Konzepte, die neben dem Einzelhandel in den ehemaligen Warenhäusern auch Platz für Büros, Wohnungen, Gastronomie, Pflege und Hotels bieten und an insgesamt 24 Standorten eingesetzt wurden. In etwa 60 Prozent der analysierten Immobilien ist es dabei zu einer Kombination von zwei bis drei verschiedenen Nutzungsarten gekommen, meistens aus den Top-Nutzungssegmenten Einzelhandel (79 Prozent), Büro (58 Prozent) und Wohnen (46 Prozent). Von den Mixed-used-Häusern wurde bisher kein einziges geschlossen.

Weiterhin stellt die Studie fest, dass mehr als 80 Prozent der Warenhäuser für die Nachnutzung umgebaut (52 Prozent) oder neugebaut (30 Prozent) werden mussten. Ursachen für die baulichen Maßnahmen liegen in der mangelhaften Qualität vieler Warenhäuser, die aktuellen Baustandards oft nicht mehr genügt. Gleichzeitig stellt die besondere Architektur der Gebäude mit ihren meist fensterlosen Fassaden und großen Raumtiefen für viele Nachnutzungskonzepte eine Herausforderung dar. Bauliche Veränderungen sind deshalb kaum zu umgehen. Nur bei 14 Prozent der Immobilien wurde darauf verzichtet und eine Nachvermietung direkt eingeleitet. Vier Prozent der Immobilien blieben ganz leer.

Drogeriemärkte und Büros

Ein wichtiger Vorteil der Mixed-used-Konzepte ist, dass sie aufgrund ihrer verschiedenen Nutzungsarten über eine diversifizierte Einnahmenstruktur verfügen. Sie hilft den Immobilien, sich auch in Krisenzeiten zu finanzieren. So können Einnahmen aus Bürovermietungen zum Beispiel dabei helfen, einen wegbrechenden Einzelhandel aufzufangen. »Diesen Vorteil haben auch Projektentwickler und Investoren erkannt, die die innerstädtischen Quartiere als besonders attraktive Nutzungsform ansehen und in diesem Segment eine deutlich steigende Nachfrage generieren«, erklärt Thomas Veith. Bei den verschiedenen Mixed-used-Konzepten hat sich vor allem eine bauliche Zusammensetzung als typisch erwiesen. Im Erdgeschoss werden auf Einzelhandelsflächen Drogerieketten oder kleinere Filialen fortgeführt, die bereits während der früheren Nutzung Bestand hatten. Für sie ist die prominente Innenstadtlage der Warenhäuser noch immer attraktiv. In den darüber liegenden Stockwerken konnte die Studie eine überproportional häufige Beimischung von Büroflächen und Wohnungen identifizieren. Laut Florian Hackelberg, Professor für Immobilienwirtschaft an der HAWK in Holzminden, »kann ein erfolgreiches Mixed-used-Konzept eine Strahlkraft weit über die Immobilie hinaus entwickeln und dazu beitragen, die vielerorts unter dem Wandel des Einzelhandels leidenden deutschen Innenstädte neu zu prägen.«

Erfolgreiche Nachnutzung möglich

Die Studie hat gezeigt, dass sich ehemalige Warenhäuser auch heute noch wirtschaftlich nutzen lassen. Entscheidend ist allerdings, dass Nachnutzungskonzepte stets an die individuellen Umstände der jeweiligen Immobilie angepasst werden. So waren die untersuchten Immobilien sehr heterogen, was sowohl aus den baulichen Voraussetzungen als auch aus der Struktur und Nachfrage am örtlichen Immobilienmarkt resultiert.