Was war, was ist, was bleibt

German Council Magazin
German Council Magazin – Ausgabe 2-2014 „In Motion“. © GCSP / stock.adobe.com

Insight
Passion

Steffen Uttich

Wirtschaftlich herausfordernde Zeiten bergen das Risiko, dass Existenzängste den Blick auf das Wesentliche trüben. Vor der vermeintlichen Macht der Statistik wird zu oft zu schnell kapituliert. Natürlich ist es ein alarmierender Fakt, dass dem stationären Einzelhandel in Deutschland zwischen 2010 und 2019 rund 39.000 Geschäfte verlorengegangen sind. Und in den Corona-Jahren 2020 bis 2022 sollen es mindestens noch einmal genauso viele gewesen sein. Ein Absturz also, der sich zuletzt sogar noch beschleunigt hat – da ist Panik in der Einzelhandelslandschaft eine nachvollziehbare Reaktion.

Zu dieser Landschaft gehören auch die Erbauer und Eigentümer der Flächen, auf denen der Einzelhandel seine Aktivitäten entfaltet. Ein nicht unbeträchtlicher Teil von ihnen hat sich vor 30 Jahren im German Council of Shopping Places zusammengeschlossen. Wer eine solche Historie vorweisen kann, genießt einen großen Vorteil, wenn die Zeitläufe holprig werden: Er hat schon ein paar Krisen überlebt – und kann deshalb auf Erkenntnisse zurückgreifen, die die eigene Existenzberechtigung grundsätzlich untermauern. Deshalb lohnt es sich im konkreten Fall, einen Blick in das Archiv des German Council Magazins zu werfen, das als zuverlässiges Stimmungsbarometer den Verband und seine Akteure durch die Jahre begleitet hat.

Noch aktuell: In Motion

Vor mir liegt gerade eine Ausgabe aus dem Jahr 2014. Das Titelthema lautet: In Motion. Schön eingängig als Scrabble-Spiel auf dem Umschlag abgebildet. Das gibt immerhin zehn Punkte. Ein zeitloser Titel, keine Frage. So zeitlos, wie der Aufruf in der Unterzeile. „Anfangen, wo andere aufhören“ – formuliert, als der Verband gerade erst seinen 20. Geburtstag hinter sich hatte und noch German Council of Shopping Centers hieß. Nun wird er 30 Jahre alt und hat sich inzwischen den zeitgemäßeren Namen German Council of Shopping Places gegeben. Aber der Aufruf ist 2023 noch so aktuell wie damals.

Sprüche für die Ewigkeit

Blättert man durch die Ausgabe, bleibt man spätestens bei einem Gespräch mit dem legendären Drogeriemarkt-Gründer Götz Werner hängen. Hier finden sich Sprüche für die Ewigkeit. Erkenntnisse, die selbst eine Corona-Krise mir ihren Folgen für den stationären Einzelhandel nicht einfach außer Kraft setzt. „Unternehmer ändern sich – nur Manager machen weiter wie gewohnt“, lautet einer dieser Sätze, die einen langen Nachhall erzeugen. Götz Werner spricht über Gelegenheiten, die es zu nutzen gilt – egal wie gerade die wirtschaftliche Großwetterlage ist. Und er spricht über die notwendige Ausgewogenheit von Kreativität und Kontinuität – die zwei so gegensätzlichen Pole, die es in Übereinstimmung zu bringen gilt. „Atmen Sie nur aus, sterben Sie. Atmen Sie nur ein, sterben Sie auch. Was Sie gesund hält, ist der richtige Rhythmus.“ Eine Stimme aus der Vergangenheit, die die richtige Arznei gegen Zukunftsangst verschreibt.

Den Überblick behalten

Ein paar Seiten später finde ich einen Kommentar von mir – ein Blick auf die Beschleunigung des Immobiliengeschäfts in der damaligen Zeit und ein Plädoyer, auf dem Weg nach oben den Überblick zu behalten. Die Immobilienwirtschaft darf sich also über eine grundsätzliche Existenzberechtigung freuen, weil sie ein Grundbedürfnis der Menschen befriedigt – nämlich ein Dach über dem Kopf für Leben und Arbeit bietet. Dass sie aber mit dem Blick auf begrenzte natürliche Ressourcen kurzlebigen Trends nicht dauerhaft folgen kann. Es geht um einen angemessenen Umgang mit dem Gebäudebestand. Heute könnte man sagen: Wie aus Shopping Centern weiter gefasste Shopping Places werden. Wie möglicherweise demnächst auf diesen Flächen Aktivitäten stattfinden, die bislang noch unvorstellbar in der Verbindung mit Shopping Places erscheinen. Und ja, wie sich damit weiterhin gutes Geld verdienen lässt.

Lebenslanges Lernen

Lesenswert nach fast zehn Jahren ist nicht zuletzt eine konkrete Fallstudie, geschrieben für die „In Motion“-Ausgabe vom damaligen Textilwirtschaft-Chefredakteur Hagen Seidel. Er hatte gerade ein Buch über die Erfolgsgeschichte von Zalando veröffentlicht. Eine Frage an ihn lautete deshalb, warum sich der stationäre Handel das Geschäftsmodell des Online-Händlers näher anschauen sollte. Seine Antwort: „Wenn es um Tempo, Service und Kundenorientierung geht, dann kann der stationäre Handel durchaus etwas von der Online-Konkurrenz lernen.“ Eine Umschreibung für die Notwendigkeit von lebenslangem Lernen. Denn wer im stationären Handel dieser Empfehlung gefolgt ist, der hat überlebt – und wird weiter überleben.

2014 war eine Zeit, als das Geschäft mit Einzelhandelsflächen nach den Erschütterungen der Finanzkrise gerade wieder aufblühte. Ein letztes Mal, bevor es dann spätestens mit Corona und dem Durchbruch des Online-Handels nur noch abwärts ging? Bestimmt nicht. Jetzt geht es vielmehr in einer Schrumpfungsphase darum, den Blick für das Wesentliche nicht zu verlieren. Rein emotional ist Panik im stationären Einzelhandel eine nachvollziehbare Reaktion. Rational betrachtet ist es aber keine vernünftige Reaktion. Lieber in Bewegung bleiben.


Steffen Uttich
Mit-Gründer und Geschäftsführer
von INBRIGHT Investment