Was wird wichtig fürs Land?

Angelika Volquartz
Angelika Volquartz © Julia Petersen

Aktuelles
Quintessenz

Susanne Müller

Deutschland ist im Aufbruch begriffen – derweil an allen Ecken und Enden Handlungsbedarf besteht. Einen guten Blick aufs Große und Ganze hat Angelika Volquartz. Während ihrer politischen Karriere in den Reihen der CDU hat sie profunde Einblicke gewonnen und gibt in unserem Interview Input zur aktuellen Lage.

Die Ampel ist Geschichte: Welche konkreten Veränderungen sollte die neue Bundesregierung zuerst ins Auge fassen?

Die neue Bundesregierung muss in erster Linie das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger zurückgewinnen. Konkrete Maßnahmen wie eine entschlossene Steuerreform, die gezielt die Mitte unserer Gesellschaft entlastet, und spürbare Investitionen in Bildung und Infrastruktur sollten höchste Priorität haben. Die Ampel-Regierung hat durch ihre mangelnde Steuerungsbereitschaft gezeigt, wie notwendig klare, verlässliche Leitlinien in der Migrationspolitik sind. Hier braucht es jetzt ein durchsetzungsfähiges, gerechtes System, das einerseits Integrationschancen bietet und andererseits klare Grenzen setzt.

Sie haben profunde politische Erfahrung. Was würden Sie den aktuellen Staatsmännern und -frauen raten?

Meine Erfahrung hat mir gezeigt, wie wichtig Ehrlichkeit, Konsistenz und vor allem der Mut zur Entscheidung sind. Die Menschen erwarten von ihren politischen Vertretern klare Positionen und entschlossenes Handeln. Die größten Veränderungen erreicht man, wenn man die langfristigen Bedürfnisse des Landes und nicht kurzfristige Meinungsumfragen im Blick hat. Ich würde den derzeitigen Entscheidungsträgern also vor allem raten, sich an Prinzipien wie Verlässlichkeit und Verantwortung zu orientieren. Ich persönlich, aber auch die CDU, stehen dafür, Probleme nicht nur anzusprechen, sondern lösen zu wollen.

Wie sehen Sie die Auswirkungen der US-Wahl mit Trump an der Spitze auf Europa und Deutschland?

Die erneute Präsidentschaft von Donald Trump wird zweifellos Auswirkungen auf die transatlantischen Beziehungen haben. Ein protektionistischer Kurs könnte für die Wirtschaft Deutschlands und Europas zu Herausforderungen führen, besonders in Hinblick auf Handelsbarrieren. Europa muss in solchen Zeiten eine unabhängige, klare Linie fahren, die im Einklang mit den Werten von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit steht und dabei auf eine kluge Zusammenarbeit mit den USA setzt, unabhängig vom jeweiligen Präsidenten. Mit dem überzeugten Transatlantiker Friedrich Merz als Bundeskanzler bin ich davon überzeugt, dass die Deutsch-US-amerikanischen Beziehungen ein festes Bündnis bleiben.

Wo machen Sie Knackpunkte bei der Entwicklung von Wirtschaft und Handel aus, die deren Zukunftsfähigkeit ausbremsen?

Zu den Knackpunkten gehört zweifellos der Fachkräftemangel, der wie ein Bremsklotz für die wirtschaftliche Entwicklung wirkt. Dazu kommt der schleppende Ausbau digitaler Infrastruktur, insbesondere im Vergleich zu anderen Industrienationen. Bürokratische Hürden bremsen viele innovativen Unternehmen aus, die uns technologisch und wirtschaftlich voranbringen könnten. Wir müssen uns klar auf die Digitalisierung und den Innovationsgeist konzentrieren, um als Wirtschaftsstandort nicht ins Hintertreffen zu geraten.

Was muss passieren, um den Wirtschaftsstandort Deutschland wieder nach vorn zu bringen?

Deutschland braucht eine entschlossene Entbürokratisierung und eine moderne Infrastrukturpolitik. Für jede bürokratische Vorschrift müssten zwei veraltete weichen, damit Entbürokratisierung nicht mehr nur wie ein Mantra wiederholt wird, sondern auch bei den Menschen und Unternehmen ankommt. Besonders die Digitalisierung im öffentlichen und privaten Sektor muss Vorrang bekommen, um international wettbewerbsfähig zu bleiben. Dazu gehört auch ein schnellerer Ausbau erneuerbarer Energien, um uns von teuren und unsicheren Importen unabhängiger zu machen. Vor allem aber brauchen wir eine Bildungsoffensive, die sicherstellt, dass junge Menschen die Fähigkeiten erwerben, die unsere Wirtschaft künftig braucht. Final ist eine Steuerreform sowohl für Unternehmen als auch Privatpersonen zwingend erforderlich. Deutschland muss schnellstmöglich aus der Rezession kommen, die unter der Ampelkoalition begonnen hat.

Stichpunkt Innenstädte: In Zeiten knapper Kassen haben viele Kommunen hohe Ausgaben zu schultern. Wo sehen Sie politischen Handlungsbedarf?

Die finanzielle Lage vieler Kommunen ist angespannt, und viele Städte kämpfen mit der Herausforderung, ihre Innenstädte lebendig zu halten. Als ehemalige Oberbürgermeisterin der Landeshauptstadt Kiel weiß ich um die Herausforderungen. Ich sehe den Bedarf für eine stärkere finanzielle Unterstützung seitens der Länder und des Bundes, vor allem durch Fördermittel, die gezielt in die Entwicklung nachhaltiger und digitaler Infrastruktur investiert werden. Dennoch müssen die Kommunen auch die Bereitschaft haben, Projekte zu priorisieren. Kommunale Aufgaben müssen auch von der Kommune finanziert werden. Hier gilt es auch, Klientelprojekte zurückzustellen, die in einigen Kommunen zu Gewohnheiten geworden sind und Kernaufgaben wie Schulbau, Sportstättenbau oder digitale Verwaltungsleistungen angemessen wahrnehmen zu können.

Was können im Gegenzug die betroffenen Kommunen bewirken, zum Beispiel, um mit der Innenstadtgestaltung und der technischen Entwicklung Schritt zu halten?

Kommunen können durch eine enge Zusammenarbeit mit der lokalen Wirtschaft, aber auch durch die Einbindung der Bürgerinnen und Bürger viel erreichen. Ein bewusster Mix aus traditionellem Einzelhandel und digitalen Angeboten, sowie ein modernes Verkehrskonzept, das umweltfreundliche Alternativen stärkt, ohne den motorisierten Individualverkehr ideologisch zu bekämpfen, können wichtige Anreize für die Innenstadtgestaltung setzen. Veranstaltungen und kulturelle Angebote, die das Gemeinschaftsgefühl stärken, tragen ebenfalls dazu bei, die Innenstadt als lebendigen Raum zu bewahren. Gegenwärtig erleben wir ein konstantes Verwaisen der Innenstädte. Beispielhaft ist hier die obere Holstenstraße in Kiel zu nennen. Der Wirtschaftsdezernent und Oberbürgermeister Ulf Kämpfer, der mittlerweile für die SPD bei der nächsten Landtagswahl antreten möchte, konnte hier keine merklichen Belebungsimpulse setzen.

Ihre Prognose fürs kommende Jahr?

Ich glaube, dass uns ein herausforderndes Jahr bevorsteht, in dem die Weichen neu gestellt werden. Deutschland wird sich gezwungen sehen, zentrale Reformen voranzutreiben, um wirtschaftlich, technologisch und sozial wieder an Fahrt zu gewinnen. Ich hoffe, dass der Mut zu grundlegenden Reformen und der Wille zur Zusammenarbeit in der Politik stärker in den Vordergrund treten werden, damit die Chancen dieser Zeit effektiv genutzt werden. Nach einem zu erwartenden harten Wahlkampf müssen wir schnell wieder eine stabile und handlungsfähige Regierung bilden, die die Probleme des Landes aktiv angeht. Die Menschen erwarten das zu Recht von uns. Wir werden uns dieser Verantwortung nicht entziehen!

Susanne Müller