Wasserdichte Green-Lease-Verträge
Handel und Immobilien
Quintessenz
Dr. Rainer Burbulla
In den vergangenen zwei bis drei Jahren konnte eine „Renaissance“ von Green Leases in der Praxis festgestellt werden. Das steht im Einklang mit dem gestiegenen Bewusstsein in der Politik und der Bevölkerung, dass eine drastische Reduktion von Emissionen dringend erforderlich ist und, um das Ziel klimaneutraler Gebäude zu verwirklichen und die vollen Einsparpotenziale in der Immobilienwirtschaft zu nutzen.
Vor diesem Hintergrund wünschen viele Vermieter, „grüne Regelungen“ in den Mietvertrag einzuziehen. Umgekehrt ist nicht selten zu beobachten, dass Mieter von sich aus „grüne Regelungen“ im Mietvertrag wünschen, um sich gewissermaßen selbst in der Öffentlichkeit als „grünes“ Unternehmen darzustellen, das mit Ressourcen nachhaltig umgehen will. Unternehmen arbeiten daher ihrerseits an den eigenen „grünen Zielen“ und stellen verschiedene Standards auf. Da entsprechende Green-Lease-Regelungen in Mietverträgen relativ jung und ständigen Weiterentwicklungen unterworfen sind, hat sich in der Praxis ein breites Spektrum herausgebildet. In vielen Fällen beschränken sich grüne Mietverträge maßgeblich auf mehr oder weniger unverbindliche Klauseln, mit denen das Nachhaltigkeitsbestreben der Parteien aufgezeigt werden soll. Vermehrt ist allerdings ebenso zu beobachten, dass verbindliche Klauseln mit konkretem relevantem nachhaltigem Inhalt mehr und mehr in gewerbliche Mietverträge Eingang finden.
Verträge in der Praxis
An diesen unterschiedlichen Stellen setzt das Buch „Nachhaltigkeitsklauseln für Mietverträge – Green-Lease-Verträge schnell und effektiv umsetzen“ von Zulfukar Tosun an. Der Autor scheint eine Vielzahl von Gewerberaummietverträgen in der Praxis ausgewertet zu haben. Denn in 17 Kapiteln auf 150 Seiten beleuchtet er die verschiedenen (rechtlichen) Grundlagen, Regelungsgehalte, Hintergründe und Auswirkungen eines grünen Mietvertrages und gibt Formulierungsvorschläge für die Vertragsgestaltung, die mit den in der Praxis verwendeten Klauseln übereinstimmen.
Im ersten Kapitel geht Zulfukar Tosun auf die unterschiedlichen rechtlichen Grundlagen ein und erläutert diese verständlich. Im zweiten Kapitel wird der Begriff „Green Lease“ aufgegriffen, und zutreffend gelangt der Autor zu dem Ergebnis, dass es eine allgemeine (gesetzliche) Definition eines grünen Mietvertrages nicht gibt. Letztlich kann es einen solchen Begriff beziehungsweise den „Green Lease“ praktisch auch kaum geben, da die Anforderungen, die an die Nachhaltigkeit einer Immobile allgemein und vor allem an nachhaltige Regelungen in Mietverträgen gestellt werden, ganz unterschiedliche Qualitäten und Hintergründe haben. Diese haften zum einen der jeweiligen (speziellen) Immobilie an, sind zum anderen aber auch in der Struktur des jeweiligen Unternehmens und des jeweiligen Mietzwecks verankert. Die im 14. Kapitel des Praxisleitfadens von Tosun aufgeführten Praxisbeispiele anhand unterschiedlicher Mietzwecke wie Büro, Textilhandel, Bäcker etc. verdeutlichen dies sehr anschaulich.
Das Drei-Säulen-Modell
Nachhaltigkeit im Sinne eines grünen Mietvertrages wird häufig an einem so genannten Drei-Säulen-Modell gemessen. Grundgedanke dieses Modells ist, dass nachhaltige Entwicklung nur durch das gemeinsame Erreichen umweltbezogener, wirtschaftlicher und sozialer Ziele erreicht werden kann. Im Einklang mit diesem Drei-Säulen-Modell reicht die Spanne möglicher Regelungen in einem Green Lease sehr weit.
Letztlich kann zu fast jeder Regelung im Mietvertrag ein Nachhaltigkeitsaspekt im Raume stehen. Zutreffend werden in Kapitel Vier des Praxisleitfadens in diesem Zusammenhang energieeinsparende Maßnahmen erläutert, in Kapitel Fünf entsprechende Klauseln für Wasserverbräuche und in Kapitel Sechs hinsichtlich der Abfallwirtschaft. Im Bereich der häufig enthaltenen Green-Lease-Regelungen zum Austausch von Verbrauchsdaten, zum Beispiel in den Bereichen Wasser, Strom, Wärme und Abfall, ergeben sich nicht selten rechtliche Schwierigkeiten aus dem Bereich des Datenschutzes. Auch dieser Thematik nimmt sich der Autor in Kapitel Drei des Praxisleitfadens mit Formulierungsvorschlägen einfach gehalten und ausführlich an. Grüne Aspekte sind darüber hinaus schon bei der Planung, dem Bau und der Errichtung einer Immobilie sowie bei baulichen Veränderungen und Modernisierungen zu beachten, die in Kapitel Sieben des Praxisleitfadens behandelt werden. Auch Mobilitätsthemen werden in dem Handbuch in Kapitel Acht zutreffend aufgegriffen und dargestellt.
Green-Lease-Mustervertrag
Praxisnah aufbereitet sind im Zusammenhang mit den jeweiligen Säulen die Formulierungsvorschläge für Ausgestaltungsmöglichkeiten von Green-Lease-Klauseln im Mietvertrag. Diese bilden eine gute Grundlage sowohl für Mieter als auch für Vermieter, hierauf aufsetzend einen eigenen „guten“ und zur Immobilie und den jeweiligen Unternehmenszielen „passenden“ grünen Mietvertrag zu entwickeln. Hilfreich ist in diesem Zusammenhang zugleich der im 16. Kapitel aufgeführte Green-Lease-Mustermietvertrag.
Leitfaden zum Praxisdialog
Einen besonderen Stellenwert, der in der Praxis nicht unterschätzt werden darf, bilden die Ausführungen in dem Praxisleitfaden zum Nachhaltigkeitsdialog in Kapitel Neun. Dies deshalb, da bei Abschluss eines Mietvertrages regelmäßig noch nicht im Einzelnen feststeht, welche Maßnahmen/Zertifizierungen etc. zukünftig anstehen. Von daher bietet ein Nachhaltigkeitsdialog eine gute Grundlage, zukünftige Entwicklungen im Mietvertrag abzubilden. Auch hier gibt Tosun Formulierungsvorschläge an die Hand.
Know-how zu Zertifizierungen
Neben Nachhaltigkeitseffekten und Energieeinsparungen betreffen Nachhaltigkeitsbestrebungen wie Green-Leases letztlich auch die Erhaltung oder. Steigerung des Werts einer Immobilie. Green Leases spielen damit gleichermaßen hinsichtlich der Finanzierbarkeit / Finanzierung eines Objekts eine große Rolle. Zertifizierungen sind in diesem Zusammenhang heutzutage jedenfalls bei Neubauten und grundlegenden Modernisierungen fast die Regel. Hier gelten unterschiedliche Vorgaben mit teilweise unterschiedlichen Schwerpunkten und Anforderungen. Zum Teil beziehen sich Zertifizierungen allein auf die Bausubstanz. Zum Teil beziehen auch auf die Bewirtschaftung und Nutzung. Die jeweiligen Zertifizierungen werden im 15. Kapitel des Praxisleitfadens gut nachvollziehbar erläutert.
Zusammenfassend stellt das Buch einen guten Praxisleitfaden dar, der der „jungen Materie“ Green Lease gerecht wird, einen umfangreichen und praxisnahen Überblick verschafft und mit guten Grundlagen und Formulierungsvorschlägen zur Ausgestaltung des „eigenen Grünen Mietvertrages“ einlädt.
Rechtsanwalt Dr. Rainer Burbulla,
Partner der Langguth & Burbulla Rechtsanwälte PartG mbB, Düsseldorf