Wenn Humor zum Erfolg führt

Oliver Tissot
Oliver Tissot © Thomas Lother

Interview
Passion

Susanne Müller

Oliver Tissot wurde bekannt durch TV-Kabarettsendungen. Nach Design-Diplom, Soziologie-Magister und Promotion über Humor im Business gilt er als exquisiter Lachverständiger. Er hat zahlreiche Preise und Auszeichnungen gewonnen und zählt zu Deutschlands Top-100-Speakern. Ein Redakteur bezeichnete ihn als „besten Stand-Up-Comedian im Businessbereich“. 2018 stellte er zum Internationalen Tag der Freude in Nürnberg den weltweit ersten Witze-Automaten auf, dieses Jahr eröffnet der von ihm konzipierte erste deutsche WitzeWanderWeg. Oliver Tissot schaut auch beim German Council Congress vorbei! Ein Vorgeschmack im Interview.

Sie haben Ihre Doktorarbeit über Humor in Zeiten der Wirtschaftskrise geschrieben. Zurzeit herrscht wieder Flaute. Wie können wir der miesen Laune begegnen?
„Das ist doch wohl ein Witz!” denkt man meist lange, bevor man die Krise kriegt. Im Ernst: Humor fördert Erkenntnis und Einsicht und initiiert Verhaltensänderungen, da es neue Perspektiven ins Spiel bringt. Wenn alle den Kopf in den Sand stecken, braucht es Späher voller (Über-)Mut, die mit schrägen Sichtweisen Einblicke ermöglichen, die sonst verborgen geblieben wären. Zielgerichtet kann Humor ein wirkungsvolles Ventil sein, um Schwachpunkte oder Fehler aufzudecken und Frust abzubauen.

Ihre Dissertation „Gewinnbringendes Lachen! Humor als Humanfaktor zur Erreichung von Unternehmenszielen“ ist einer Erklärung wert.
Lachen hat positive Wirkung nicht nur für den einzelnen Menschen, sondern auch in Wechselwirkung mit Anderen und auf komplette Organisationen. Dies belegen zahlreiche Studien, die untersuchen, welchen Nutzen Humor im Wirtschaftsleben aufgrund dieser psychischen und physischen Effekte bringen kann. In meiner Arbeit werden probate Mittel und Möglichkeiten vom Führungsverhalten bis hin zur individuellen Gestaltung des Arbeitsplatzes vorgestellt und zu einer idealtypischen Humorkultur zusammengefasst, um Lachen anzuregen und zu fördern.

Sind Fröhlichkeit und herzhaftes Lachen in Anbetracht von Krisen, Krieg, Inflation, Disruption, verwaisten Innenstädten und sinkender Kauflaune nicht Galgenhumor oder zumindest ein Tanz am Rande des Vulkans?
Wenn es uns schlechter zu gehen droht, hat Humor wahrlich keine Konjunktur, weil viele glauben, jetzt müsse erst einmal Schluss mit lustig sein. Dabei ist Lachen gerade dann ein praktikables und preiswertes Mittel, die Resilienz zu stärken, Hoffnung zu säen, Teams zu motivieren und Kunden zu gewinnen, gerade jene, die im Change keine Chance sehen, also glauben, man würde ihnen ein X für ein U beziehungsweise ein C für ein G vormachen.

Wie kann eine positive Stimmung persönliche und unternehmerische Gewinne erbringen?
Lachen und Lebensfreude fördert die Wertschöpfung, auch wenn Gewerbetreibende eher etwas anderes schöpfen, nämlich Verdacht, dass Effizienz flöten geht, wenn gelacht wird. Forscher haben aber nachgewiesen, dass während des Lachens das Stresshormon Adrenalin gestoppt und stattdessen Glückshormone produziert werden. Lachen stärkt das Immunsystem. 15 Minuten Lachen ist so entspannend wie eine Stunde autogenes Training. Dabei wirkt schon ein Lächeln positiv auf die Hirnaktivität, und auf Kunden und Kollegen erst recht. Humor wirkt wie Magie bei Begegnungen: „Magie die oder mag i die net?”, hat man sich ja bislang schon gefragt. Jetzt kann man Zähne zeigen – beim Lachen natürlich. Das führt zu einem Wohlfühleffekt, der ermöglicht, individuelle Spannungen und Disharmonien in Gruppen sowie Konkurrenzdruck abzubauen. Humor wirkt zudem als Kreativitäts-Booster. Wenn Menschen regelmäßig und unbeschwert miteinander lachen, erleben sie den Alltag als eine Herausforderung, die freundschaftlich gedeutet und gemeistert werden kann. Die kräftigende und uns psychisch stärkende Funktion des Humors liegt in der Relativierung und dem erhellenden Entdecken neuer Sinnebenen.

Sind Wirtschaftsbosse, Unternehmensverantwortliche und Manager zu ernst?
Manche Manager reden lieber langatmig als kurzweilig und salbungsvoll statt satirisch. Dabei klingt oft an: „Bei uns steht der Mensch im Mittelpunkt.” Wo steht er da? Natürlich mitten im Weg. Da muss man ihn vertreiben! Darum gibt es Vertriebe … und Verantwortliche. Hier stellt sich die Frage: Haben die Niveau oder findet man die nie wo? Mitarbeitende hegen oft den Verdacht, dass die „Versprechen“ der Vorgesetzten nicht unbedingt bedeuten, dass sie etwas versprechen, sondern dass sie sich versprechen! Statt austauschbare, hohle Phrasen von sich zu geben sollte man Ziele und Zahlen auf die Ebene der einzelnen Mitarbeitenden runterbrechen, also lieber spannende Stories voller Bonmots präsentieren, statt Balkendiagramme und Heldentaten zeigen statt Statistiken. Letztendlich gilt für Kernbotschaften dasselbe wie für Humor: In der Kürze liegt die Würze.

Sie plädieren dafür, mit Leidenschaft, Leichtigkeit und Lachen bei der Arbeit zu sein, um schlummernde Potenziale zu wecken. Wie funktioniert das im Alltag?
Ganz einfach! Witze wirken! Neurowissenschaftler haben mittels Kernspintomografie herausgefunden, dass nach einer Pointe eine Unmenge an Nervensignalen in Hirnregionen aktiviert werden, die zum Belohnungssystem gehören. Botenstoffe lösen sodann Euphorie und Heiterkeit aus. Unwillkürlich zucken die Mundwinkel nach oben. Lachen entspannt, macht fit und gesund. Jeder Witz beinhaltet eine Art Mnemotechnik: Das Unerwartete prägt sich dem Gedächtnis ein. Die Pointe muss geknackt werden. Man freut sich über die eigene Intelligenz, den Witz verstanden zu haben. Dieses Lachen als pure positive Energie fördert die bewusste Auseinandersetzung mit dem Inhalt. Also: Nicht vorkauen, sondern selber denken lassen! Dann haben Menschen mehr Zugriff auf ihre geistigen Fähigkeiten.

Humor im Einzelhandel ist eines Ihrer Lieblingsthemen. Was gibt es da als Nachholbedarf?
Die WirtschaftsWoche schrieb letztes Jahr in einem Artikel: „Humor ist ein geeigneter Weg in die Herzen der Verbraucher.“ Dem stimme ich voll und ganz zu. Ich halte Vorträge über das Thema, bei denen ich Dutzende von Beispielen zeigen, wie man mit witzigen Werbetafeln, ungewöhnlichen Produktplatzierungen, erheiternden „Hinguckern“ und verspielter Kreativität Konsumenten glücklich machen kann. Wenn die Zuhörer in meinem Vortrag die Beispiele sehen, wird viel und herzhaft gelacht, und die Leute gehen inspiriert an die Umsetzung, die übrigens oft so gut wie nichts kostet.

Ihre Spezialität ist Stand-Up-Kabarett mit der spontanen Zusammenfassung der Geschehnisse vor Ort. Darauf dürfen sich auch die Teilnehmer der German Council Congresses am 13. und 14. September in Berlin freuen. Was erwartet die Gäste?
Da lasse ich lieber Journalisten sprechen. Die schrieben über mich: „Ein Whistleblower mit sprühendem Humor“, „Das Publikum biegt sich vor Lachen”, „Ein pures Vergnügen”, „Wortgewaltiger Schnelldenker”, „Weit über dem Durchschnitt gewöhnlicher Wald-Wiesen-TV-Comedians”, „Oliver Tissot weiß alles und bringt Details mit Wortwitz und Lachgarantie auf den Punkt“, „Das Publikum ist begeistert und kommt aus dem Staunen nicht heraus.“

Gerade haben Sie ein neues Buch mit dem wohl längsten Titel aller Zeiten veröffentlicht: „Warum Chefs immer recht haben und Mitarbeiter nicht mitdenken sollten oder warum Chefs nicht immer recht haben und Mitarbeiter immer mitdenken sollten – Über Wert und Schätzung“. Worum geht’s?
Der Titel auf dem Cover ist nur halb so lang, verändert sich aber je nach Blickrichtung. Allein das ist ein großer Spaß. Mit Wortwitz und Lachverstand schildere ich im Buch, was in Betrieben getrieben wird und was Angestellte anstellen, um umzusetzen, was ihnen Vorgesetzte vorgesetzt haben. Vieles, was Werktätigen an Wahnsinn widerfährt, bekommt durch meinen Blick eine neue Perspektive. Ob Kommunikation didaktisch, faktisch, kritisch oder idiotisch stattfindet: Im Kern geht es um verbesserungswürdige Wertschätzung. Mit Humor schreibe ich, was sich andere bei der Arbeit oft nur denken. Wo andere den Finger in die Wunde legen, kitzle ich lieber einen Lacher heraus. Eine lohnenswerte Lektüre über Lachhaftes also!

Susanne Müller