Wir können die Bauzeit von Wohnungen um bis zu 70 Prozent verkürzen

Koether und Rahlfs
Philipp Koether und Dirk Wilhelm Rahlfs © Mario Moers

Interview
Glokalisierung

Susanne Osadnik

Im hohen Norden haben sich zwei Männer zusammengetan, die beide jede Menge von Häuserbau verstehen. Gemeinsam wollen sie dafür sorgen, dass mehr bezahlbarer Wohnraum entsteht. Über ihr Start-up Modulab (Housing Construction GmbH) treiben Dirk Wilhelm Rahlfs und Philipp Koether modulare Bauweise für bezahlbares Wohnen weiter voran. So könne man Kosten sparen, die Umwelt schonen und günstiger vermieten

Herr Rahlfs, Herr Koether: Was hat Sie beide zusammengeführt?
Dirk Wilhelm Rahlfs: Seit vielen Jahren wird bundesweit beklagt, dass es zu wenig sozialen Wohnungsbau gibt, obwohl er immer wieder von unterschiedlichen Akteuren eingefordert wird. Ob Mieter, Politiker, Stadtverantwortliche – alle monieren den Mangel an bezahlbaren Wohnungen. Aber es passiert wenig bis gar nichts. Das hat uns beide gleichermaßen überlegen lassen, wie wir das Problem angehen und Abhilfe schaffen können.

Philipp Koether: Es war schnell klar, dass wir von der Bau- und Planungsseite aus an den entsprechenden Stellschrauben drehen müssen, um Kosten zu sparen. Denn die Grundstückskosten können wir nicht beeinflussen. Genauso wenig wie die Kosten für Baumaterialien. Dank digitaler Planung und modularer Bauweise können wir heute sagen: Wir verkürzen die Bauzeit von Wohnungen um bis zu 70 Prozent im Vergleich zu konventioneller Bauweise. Binnen einer Woche kann mit unserer Modulbauweise ein Gebäude mit sechs bis zehn Wohnungen aufgebaut werden. Das spart unter anderem bereits Zeit und Kosten bei der Planung, Finanzierung und Errichtung der Gebäude, sodass sehr viel schneller vermietet werden kann.

Sie sagen, Sie können sozial geförderten Wohnungsbau in Serie fertigen. Welche Voraussetzungen haben Sie dafür schaffen müssen?
Rahlfs: Das Modulab-Konzept basiert auf einer eigens entwickelten Software, die Planungsschritte im Vorfeld vereinfacht und einen weiteren Vorteil bietet: Sie ist abgestimmt auf die Landesbauverordnungen und Förderrichtlinien für sozialen Wohnungsbau in den jeweiligen Bundesländern. Unsere fünf Grund-Module können so die Förderrichtlinien aller Bundesländer gleichzeitig abbilden und müssen nicht jedes Mal modifiziert werden. Allerdings gibt es beispielsweise in Berlin spezielle Deckenhöhen, die berücksichtigt werden müssen.

Koether: Dreh- und Angelpunkt ist das Baukastenprinzip von Modulab. Wir haben Module entwickelt, die so weit vorgefertigt werden, dass sogar die Küche mit ihren Möbeln, alle elektrischen und sanitären Leitungen und Anschlüsse, die Bäder samt Waschbecken und Toiletten und auch der Internetanschluss schon installiert sind. Auf der Baustelle werden die einzelnen vorgefertigten Bauteile zu einem kompletten Haus zusammengesteckt. Weil unser Vorfertigungsgrad bei bis zu 90 Prozent liegt, sind wir beim Aufbau so schnell und sparen so viel Zeit.

Wie viel günstiger ist Ihre Bauweise gegenüber der konventionellen?
Rahlfs: Wir gehen davon aus, dass wir zwischen 10 und 15 Prozent unter den Kosten eines konventionell gefertigten Hauses durch unsere Mitbewerber bleiben.

Wie wirkt sich das auf die Mieten aus?
Rahlfs: Im Juni haben wir in der Siemensstraße in Neustadt das erste serienreife Modulab-Mehrfamilienhaus mit 15 Wohneinheiten errichtet. Da wir die Voraussetzungen für sozialen Wohnungsbau erfüllen, wird die Nettokaltmiete dort nicht 5,60 Euro pro Quadratmeter überschreiten. Im Gegenzug darf eine Wohnung auch nur an Mieter vergeben werden, die einen Wohnberechtigungsschein besitzen und tatsächlich Anspruch auf geförderten und damit verbilligten Wohnraum haben.

Wie viele solcher Wohnungen können Sie theoretisch jährlich bauen?
Rahlfs: Sechs solcher Projekte wie in Neustadt wären durchaus machbar. Vielleicht ein bisschen mehr. Rund 100 Wohneinheiten zwischen 50 und 60 Quadratmetern wären realistisch.

Wie variantenreich wären diese Wohnungen?
Rahlfs: Aus insgesamt 28 Bauteilen haben wir mit unserem Design-Team fünf Module (M-Serie) entwickelt, die in Kombination eine große Vielfalt an möglichen Grundrissen ergeben. Die kleinste Wohnung mit 1 Schlafzimmer, Bad und Wohnküche ist 47,9 Quadratmeter groß und wächst mit jedem weiteren Schlafzimmer um rund 15 Quadratmeter.

Sie lassen die Module nicht in Deutschland fertigen …
Koether: Wir haben eine eigene Produktionsgesellschaft als Tochterunternehmen in Polen, in der Nähe von Kattowitz, die dank unseres Partners und gleichzeitig Geschäftsführers vor Ort sowohl über das notwendige Personal wie über das nötige Know-how verfügt, um unsere Module bauen zu können. Außerdem ist dieser auf Holzbau spezialisiert, was für uns ja entscheidend ist.

Was ist der Vorteil von Holzrahmenbau, der bei Ihnen zum Einsatz kommt?
Koether: Das ist eine moderne und flexible Bauweise, die uns gestaltungstechnisch viel Raum lässt. Beim Holzrahmenbau wird das Ständerwerk des Hauses beidseitig mit Holzwerkstoffplatten verkleidet, nachdem zuvor die notwendige Dämmung und Isolierung im Inneren erfolgt ist. Mit dieser sogenannten Beplankung werden die einzelnen Elemente wie Wand, Decke oder Dach ausgesteift, um die gewünschte Festigkeit und Statik zu erreichen. Ein großer Vorteil dieser Bauweise ist, dass die Wand-, Decken- und Dachelemente sowie die einzelnen Raummodule komplett witterungsunabhängig als montagefertige Raummodule in unserer Fertigungshalle produziert und auf der Baustelle nur noch zusammengefügt werden.

Holz ist in jüngster Zeit rar und dadurch teuer geworden. Können Sie bei künftigen Projekten Ihre Kalkulation halten?
Rahlfs: Wir verwenden möglichst lokales Holz und greifen zurzeit auf zwei oder drei Lieferanten in Deutschland und Österreich zurück. Dabei handelt es sich um Kiefer und Fichte. Aus unserer aktuellen Sicht ist lokaler Holzeinschlag gar nicht das Problem. Vielmehr liegt der Engpass bei den Sägewerken, die dem Ansturm nicht gewachsen sind und wir deshalb auch ausweichen müssen. Um dem entgegenzuwirken, arbeiten wir zurzeit am Aufbau eines Netzwerks aus Rundholzlieferanten und Sägewerken. Wir gehen aktuell davon aus, dass sich die Holz-Preise wieder auf einem niedrigeren Niveau einpendeln werden, wenn vielleicht auch nicht komplett auf dem Level, wie wir es noch zum Ende 2020 gesehen haben. Das wird unsere Kalkulation für Projekte in 2022 jedoch vermutlich nur in geringem Maße beeinflussen, wenn nicht auch andere Materialpreise weiter in die Höhe steigen.

Den Einsatz von Holz einzuschränken, kommt nicht für Sie in Frage?
Koether: Nein, allein aus Klimaschutzgründen wollen wir den Anteil an Beton nicht erhöhen. Holz als Basis der Modulgebäudekonstruktion ist ein regenerativer Baustoff mit einem geschlossenen Werkstoffkreislauf und ist zu hundert Prozent recycelbar und CO2-neutral, was die Nachhaltigkeit der Ressourcenverwaltung garantiert. Hohe Wärmedämmung und wärmebrückenfreie Konstruktionen sorgen für eine optimale Energieeffizienz der Modulgebäude, was wiederum die Nachhaltigkeit stärkt.

Sie haben drei Jahre Entwicklungsarbeit in Ihr Vorhaben gesteckt und können jetzt mit den ersten konkreten Projekten demonstrieren, dass es funktioniert. Wieso rennt Ihnen niemand die Türen ein?
Rahlfs: Das fragen wir uns auch. Nein, im Ernst. Das führt mich zu unserem Ausgangspunkt zurück, warum über das Bauen von bezahlbarem Wohnraum so oft geredet, aber nicht gehandelt wird. Das Unternehmen meiner Familie ist seit mehr als hundert Jahren mit dem Projektieren und Bauen von Gebäuden betraut. Man kann wirklich behaupten, dass wir uns auskennen. Dennoch stoßen wir mit der Idee – und inzwischen auch mit den positiven Resultaten von Modulab – auf mäßige Resonanz bei denjenigen, die für die Schaffung von Wohnraum verantwortlich sind, wie etwa Bauvereine und Genossenschaften, denn den bezahlbaren Grund und Boden können wir nicht auch noch organisieren.

Das Interview führte
Susanne Osadnik,
Chefredaktion Shopping Places*