Zukunft der Lagen

Einzelhandel
Die Aussichten für den Einzelhandel sind gar nicht so schlecht. © Unsplash / Eben Kassaye

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Susanne Müller

Lagen im Aufwind – bleibt der stationäre Einzelhandel auf der Erfolgswelle? Mit diesem Thema hat Michael Gerling, Geschäftsführer der EHI Retail Institute GmbH, ein Thema angepackt, das vielen Branchenakteuren auf den Nägeln brennt.

Der stationäre Einzelhandel habe zumindest punktuell eine schwere Zeit hinter sich, in erster Linie bedingt durch die Einflüsse von Corona, führte Michael Gerling aus. Dennoch habe sich die Branche bereits in 2020 und 2021 erste Marktanteile zurückgeholt, und dieser Trend setze sich fort. Betrachte man die Umsatzquoten, sei der Einzelhandel eine stabile und krisensichere Branche, in der es kontinuierlich bergauf ginge.

Viel Licht und viel Schatten

Der Marktanteil des Onlinehandels – aktuell offiziell bei rund 14 Prozent – werde allgemein sehr unterschätzt, so der Experte: Real läge dieser eher bei 20 Prozent. Er verwies zudem darauf, dass bereits Ende der 90-er Jahre Versandhandel floriert habe, diese Entwicklung also nicht erst in jüngster Zeit zu verzeichnen sei. Er sprach von „viel Licht und viel Schatten“ im Einzelhandel. Während der Corona-Jahre sei der Onlinehandel stark gewachsen, ebenso das Lebensmittellsegment, letzteres mit mittlerweile 20 bis 30 Prozent Umsatzanteilen, auch bedingt durch die Inflation. Möbel / Wohnen / Bauen bezeichnete er als einzige Branche, deren Umsatz derzeit nominal nicht steige. Geschuldet sei das zum einen der Flaute im Wohnungsbau, zum anderen einer gewissen Marktübersättigung durch den Cocooning-Trend während der Pandemiezeit.

Rückgänge im Online-Segment

Der Onlinehandel erlebe aktuell einen starken Umsatzrückgang durch die Konsumflute. Im EHI-Ranking der tausend größten Online-Shops zeigte sich 2022 ein deutlicher Einbruch – für 2023, diese Zahlen liegen noch nicht vor, erwartet das EHI ein weiteres Minus von vier bis fünf Prozent. „Die Branche schwächelt in dieser Hinsicht nicht unerheblich“, so Gerling. Insgesamt, folgerte er aus Zahlen von GfK, seien von der Verbraucherlaune im Moment keine großen Impulse für den Einzelhandel zu erwarten. Eine gewisse Hoffnung läge jedoch auf der Steigerung der Reallöhne.

Transaktionen auf Tiefstand

Von einem „historischen Tiefstand“ des Transaktionsvolumens in den Jahren 2022 / 2023 berichtete Michael Gerling ebenfalls. Mit 5,5 Milliarden Euro habe dieses deutlich unter dem Zehn-Jahres-Durchschnitt gelegen. „Wir hoffen, dass es hier wieder bergauf geht“, merkte er an. „Der Einzelhandel bleibt im In- und Ausland eine attraktive Branche. Eine ganze Reihe internationaler Interessenten zieht in den Markt ein.“

Filialexpansion auf To-Do

Dass die Assetklasse Shopping Center schwächele und Nahversorger wie beispielsweise Fachmarktzentren, selbst in Eins-A-Lagen, weiterhin hoch im Kurs stünden, sei keine neue Erkenntnis. Stadtzentren hätten weiterhin gutes Potenzial. Eine Befragung der Händler habe ergeben, dass sich die Stimmung in punkto Filialerweiterung nach einem erheblichen Einbruch in 2020 inzwischen schrittweise aufhelle: „Drei von fünf Unternehmen, also 58 Prozent, wollen mit Filialen expandieren.“ Der derzeitige Krisenmodus sei der richtige Zeitpunkt, um Chancen zu nutzen. „Vor allem Non-Food-Discounter wachsen sehr stark“, erläuterte der EHI-Experte. „Aber auch bei den Modehändlern tut sich allerhand. Insgesamt betrachtet, herrscht auf dem Einzelhandelsmarkt alles andere als Stillstand. Die Händler schauen durchaus optimistisch nach vorne.“

Investitionen und offene Sonntage

Sein Ausblick zusammengefasst:  Der Umsatz im Einzelhandel wird nominal nur leicht steigen. Onlinehandel und stationär haben ähnliche Wachstumserwartungen. Die Konsumstimmung bleibt vorerst auf einem sehr niedrigen Niveau – die Nachfrage verändert sich hier zugunsten preisgünstiger Produkte. Mit hohen Kosten und sinkenden Margen ist als Bedrohung des Handels weiterhin zu rechnen. Er empfahl die Steigerung öffentlicher Investitionen in die Innenstädte sowie die Ermöglichung von Sonntagsöffnungen.

Susanne Müller